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       # taz.de -- Zuwanderung: Europäer zweiter Klasse
       
       > Bulgaren und Rumänen leben hier oftmals unter "menschenunwürdigen
       > Bedingungen". In Bremerhaven soll ihnen jetzt eine eigene Beratungsstelle
       > helfen.
       
   IMG Bild: Bekommt bald eine Beratungsstelle für Bulgaren und Rumänen: Bremerhaven.
       
       BREMEN taz | Sie sind EU-Bürger, dürfen aber weder dauerhaft hier leben
       noch ohne Weiteres arbeiten. Sie sprechen oft kaum Deutsch, bekommen
       deswegen aber noch lange keinen Integrationskurs. Und sie wohnen und
       arbeiten oft unter „menschenunwürdigen Bedingungen“, wie Fachleute immer
       wieder sagen – und leben dennoch bisweilen besser als seinerzeit zu Hause.
       Also in Bulgarien und Rumänien.
       
       In Bremerhaven soll für diese Zuwanderer nun eine eigene Beratungsstelle
       eingerichtet werden, zumindest für ein Jahr. Zwar gibt es im Gesundheitsamt
       eine humanitäre Sprechstunde. Doch die ist „überlaufen“, wie die zuständige
       Beraterin sagt – mit komplexen Problemlagen, die ihren
       Zuständigkeitsbereich überschreiten. Lebten Ende 2011 noch 456 Bulgaren und
       Rumänen in Bremerhaven, so sind es nun doppelt so viel. Warum? „Das hätt’
       ich auch gern gewusst“, sagt Sozialstadtrat Klaus Rosche (SPD). Andere
       Städte berichten von ähnlichen Entwicklungen.
       
       Wer aus Bulgarien oder Rumänien kommt, für den bleibt, EU hin oder her, der
       Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt noch bis 2014 grundsätzlich verwehrt.
       Ähnlich war das auch mit Menschen aus Polen, Ungarn und anderen
       osteuropäischen Staaten, die die „volle Arbeitnehmerfreizügigkeit“ erst
       2011 bekamen. Ausnahmen gelten nur für Selbstständige und für
       SaisonarbeiterInnen.
       
       Eine Arbeitserlaubnis bekommen sie also nur, wenn sich nicht ein Deutscher
       oder jedenfalls ein anderer EU-Bürger für den Job findet. Da die Rumänen
       oder Bulgaren aber oft kaum Deutsch sprechen und zudem vielfach schlecht
       ausgebildet sind, kommen sie oft nur als Hilfsarbeiter infrage, sagt Anne
       Redeker, die bei der Caritas in Cuxhaven Migrationsberatung macht. Oder als
       Schwarzarbeiter, die oft zu Hungerlöhnen schuften.
       
       Aber nur, wer mindestens einen 400-Euro-Job findet, der kann einen
       Integrationskurs belegen oder Arbeitslosengeld II beantragen. „Erst wenn
       sie im System drin sind“, sagt Redeker, „dann haben sie auch ausreichend
       Mittel zum Leben, sind krankenversichert und können ihr Kind in den
       Kindergarten schicken.“
       
       Wer es nicht schafft, Hartz-IV-Bezieher zu werden, kann auch keine
       entsprechende Miete zahlen. „Deswegen leben oft viele, viele Menschen in
       einem Haus, gestellt von einem Vermieter, der weiß, dass diese Menschen
       keine Forderungen stellen können“, sagt Redeker. Und in Bremerhaven sei die
       Lage „noch drastischer“ als in Cuxhaven, wo alles kleiner und
       übersichtlicher sei. Dort lebten nicht wenige in sozialen Brennpunkten,
       sagt Rosche, und manchmal auch in sogenannten „Schrottimmobilien“.
       
       Wenn Kinder in dieser Situation leben, so Redeker, „dann stellt sich die
       Frage: Soll man das Jugendamt mit ins Boot holen?“ An dieser Stelle seien
       die Behörden oft „überfordert“, zumal wenn Zuwanderer „keinen rechtmäßigen
       Aufenthalt“ in Deutschland hätten, also Steuergelder kosteten und „man in
       diese Menschen eigentlich nicht investieren will“, wie Redeker sagt. „Da
       herrscht oft große Ratlosigkeit.“ Rosche sagt dagegen: „Unser Ziel ist es,
       die Menschen schnell in die Gesellschaft zu integrieren.“ Immerhin hält er
       die Zahl der Bulgaren und Rumänen in Bremerhaven für „überschaubar“.
       
       In Cuxhaven, sagt Redeker, sind viele dieser Zuwanderer Roma aus Bulgarien,
       die aus demselben Dorf kommen, aus Razgrad im Nordosten des Landes. Erst
       2014, da ist die Beraterin der Caritas sich „total sicher“, wird sich ihre
       Lage entscheidend bessern – „weil letztendlich alles an einem Arbeitsplatz
       hängt“.
       
       10 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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