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       # taz.de -- Neue EU-Datenschutzregelung: Schwamm drüber
       
       > Sind Fotos, Texte und Daten einmal im Netz, bleiben sie dort ewig. Das
       > will die EU jetzt ändern. Die Internetkonzerne leisten Widerstand.
       
   IMG Bild: Hilft im Netz recht wenig: Schwamm.
       
       BRÜSSEL taz | Ein altes Sprichwort, das Lehrer gerne als Warnung in
       Poesiealben schreiben, lautet: „Geredet ist geredet. Man kann es mit keinem
       Schwamm wegwischen.“ Das Gleiche gilt auch fürs Internet. Zwar kann der
       Nutzer in sozialen Netzwerken Kommentare, Fotos und andere Informationen,
       die er einst eingestellt hat, wieder von der Seite löschen. Allerdings hat
       er keine Garantie dafür, dass damit seine Daten überall im Netz und beim
       Anbieter selbst gelöscht werden.
       
       Deutlich gemacht hat das der Fall des Österreichers [1][Max Schrems]. Er
       hat von Facebook alle Daten angefordert, die eigentlich gelöscht, aber noch
       bei Facebook vorrätig waren. Er bekam 1.200 eng bedruckte DIN-A4-Seiten.
       
       Solch eine umfangreiche und völlig unkontrollierte Speicherung von
       Nutzerdaten soll nach dem Willen der EU-Kommission demnächst nicht mehr
       möglich sein. Im vergangenen Jahr legte die zuständige EU-Kommissarin
       Viviane Reding einen Vorschlag für eine Datenschutzgrundverordnung vor.
       Bisher gibt es zwar gemeinsame Prinzipien für den Datenschutz, aber die
       Umsetzung ist bisher den Mitgliedsstaaten überlassen.
       
       Die neue Verordnung beinhaltet unter anderem das Recht auf
       „Vergessenwerden“, das heißt die totale Löschung aller Nutzerdaten im Netz.
       Seitdem tobt eine heftig Debatte um den europäischen Datenschutz. An diesem
       Donnerstag legt nun der verantwortliche Berichterstatter des EU-
       Parlaments, Jan Philipp Albrecht von den Grünen, eine erste Stellungnahme
       vor. Sie dient als Ausgangspunkt für die Verhandlungen zwischen den
       EU-Abgeordneten und den Mitgliedsstaaten. Beide Seiten müssen der neuen
       Verordnung zustimmen.
       
       Das Europäische Parlament geht in seinen Forderungen noch über den
       Vorschlag der Kommission hinaus: EU-Bürger sollen in Zukunft genau wissen,
       welche Daten sie preisgeben und was mit ihnen geschieht. Außerdem sollen
       sie mit Hilfe von einfachen Formulierungen und Symbolen einwilligen, ob sie
       die Daten zum Beispiel an andere Unternehmen weitergeben wollen. Außerdem
       soll die Verantwortung, Daten komplett aus dem Netz zu löschen, beim
       Unternehmen liegen. Kritiker bezweifeln, dass dies technisch machbar sei.
       Albrecht hält dies für einen Vorwand.
       
       „Google und andere Anbieter haben so umfangreiche Programme zur
       Datenanalyse entwickelt. Ich kann nicht glauben, dass sie nicht in der Lage
       sind, das Gleiche fürs Löschen der Daten zu tun.“ Auch die
       Verbraucherschutzzentrale befürwortet die neue Verordnung und fordert ein
       eindeutiges Bekenntnis zur „Datensparsamkeit“.
       
       ## Widerstand der Internetkonzerne
       
       Die neue Verordnung soll überall da gelten, wo Daten von EU-Bürgern
       verarbeitet werden – also auch in Drittländern, etwa in den USA.
       Entsprechend stark ist der Widerstand der großen Internetkonzerne. Sie
       haben eine ganze Armee von Lobbyisten nach Brüssel geschickt, um die neue
       Verordnung zu verhindern oder zumindest zu verwässern. Der deutsche
       Unternehmerverband Bitkom, der 1.700 Internetunternehmen vertritt,
       bezeichnete die Verordnung als „zu eng und unflexibel“.
       
       Das gelte vor allem für die Regelung, dass der Verbraucher explizit seine
       Erlaubnis für die Nutzung seiner Daten geben muss. Der Verband wehrt sich
       auch gegen die Androhung von strengen Sanktionen bei Verstößen gegen die
       Richtlinie. „Existenzgefährdende Sanktionen stehen nicht in Relation zur
       Schwere von fahrlässigen Verstößen“, heißt es in einer Stellungnahme von
       Bitkom.
       
       Zumindest bei der Bundesregierung scheinen solche Argumente auf fruchtbaren
       Boden zu stoßen. Mehrfach äußerte sich das Innenministerium kritisch zu der
       geplanten Verordnung. Die EU solle sich auf Fragen des
       grenzüberschreitenden Datenaustausches beschränken. Die Datenverarbeitung
       im Inland gehe die EU nichts an. „Die Wirtschaftslobby hat hier ganze
       Arbeit geleistet“, sagt der stellvertretende Vorsitzender der
       Piratenpartei, Markus Barenhoff. „Die Bundesregierung verpasst gerade ihre
       Chance, Datenschutzsünder wie Facebook und Co in ihre Schranken zu weisen.“
       
       Auch abgesehen vom Internet ist es ein Irrglaube, man könne Datenschutz
       rein national regeln. Immer mehr Informationen werden über die Grenzen
       hinweg ausgetauscht. Bereits jetzt gibt es verschiedene Datenbanken, etwa
       für Informationen über Asylbewerber oder bei der Europäischen
       Polizeibehörde Europol, die Daten aus allen EU-Staaten sammeln. Zurzeit
       wird in Brüssel noch an viel weitergehenden Austauschsystem gearbeitet,
       etwa für Meldedaten sowie Informationen zur Sozial- und
       Krankenversicherung.
       
       ## Vorteile für die Verbraucher
       
       Für den Verbraucher würde die neue Verordnung den Datenschutz enorm
       vereinfachen. Bei Beschwerden müsste er sich nicht mehr wie bisher an die
       Datenschutzbehörde im Land des betroffenen Unternehmens wenden und sich mit
       dem dortigen Recht auseinandersetzen. Er könnte sich direkt an die
       zuständige Behörde im eigenen Heimatland wenden.
       
       Über die Beschwerden entscheiden würde in Zukunft ein EU-Ausschuss aus
       allen nationalen Datenschutzbeauftragten. Wann die EU-Verordnung in Kraft
       treten wird, ist noch unklar. Die irische Regierung, die zurzeit den
       Ratsvorsitz innehat, hat versichert, dass sie das Gesetz vorantreiben will.
       Die Grünen im EU-Parlament befürchten, dass die Mitgliedsstaaten die
       Verhandlungen so weit verzögen werden, dass keine Einigung vor den nächsten
       Wahlen zum EU-Parlament im Frühjahr 2014 möglich wird. Dann müsste der
       ganze Prozess erneut aufgerollt werden. So lange könnten Facebook und Co
       weiterhin munter Daten sammeln.
       
       8 Jan 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Facebook-und-Datenschutz/!98597/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ruth Reichstein
   DIR Ruth Reichstein
       
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