URI: 
       # taz.de -- Zweifel an Rot-Grün: Grüne zittern vor Steinbrück
       
       > Wie gefährlich ist es für die Grünen, sich an Peer Steinbrücks SPD zu
       > ketten? Mit den Patzern des Kanzlerkandidaten wachsen die Zweifel.
       
   IMG Bild: Viele Grüne sind weniger gut gelaunt als ihr Spitzenkandidat: Jürgen Trittin (l.) mit Peer Steinbrück (SPD)
       
       BERLIN taz | Dem Gesprächspartner am Telefon entfährt ein gequälter
       Seufzer. Er hat einen Laptop mit Meldungen der Nachrichtenagenturen vor
       sich. „Oh Gott, da ist das nächste Ding“, sagt er. „Es geht immer weiter.“
       Gerade verbreiten die Ticker einen Zeitungsbericht. SPD-Kanzlerkandidat
       Peer Steinbrück soll, als er im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp saß, dem
       Stahlkonzern politische Hilfe im Kampf für niedrigere Strompreise angeboten
       haben.
       
       Steinbrück, schon wieder. Zwar gibt Grünen-Chefin Claudia Roth am Dienstag
       die Parole aus, der Wechsel sei mit einer SPD zu schaffen, „die ihre
       Anfangsschwierigkeiten überwinden kann“. Doch immer mehr Grüne treibt die
       gleiche Frage um wie Roths genervten Parteifreund: Ist Rot-Grün mit
       Steinbrück noch möglich?
       
       Die Grünen wollen mit der SPD 2013 im Bund regieren. Dies ist – gegen die
       beliebte Kanzlerin und mit den Piraten – sowieso schon ein ambitioniertes
       Unterfangen. Nun macht der sozialdemokratische Kanzlerkandidat fast im
       Wochentakt mit neuen Fehlern von sich reden, und könnte damit entscheidende
       Prozentpunkte verspielen.
       
       Der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler sitzt für seine Fraktion
       im Haushaltsausschuss, er ist gerade im Landtagswahlkampf in Niedersachsen
       unterwegs. „Diese nutzlose Diskussion irritiert natürlich viele Menschen“,
       sagt er über die Kanzlergehaltsdebatte. Er sei im Wahlkampf schon mehrfach
       darauf angesprochen worden. Es gehe 2013 zentral um das Thema
       Gerechtigkeit, so Kindler. „Wir sollten eine öffentliche Debatte über die
       Bekämpfung von niedrigen Löhnen führen und nicht über das Kanzlersalär
       diskutieren. Wir Grünen machen das längst.“ Mit so diplomatischen Sätzen
       will er sagen, Steinbrück möge einfach mal schweigen.
       
       Besonders gefährlich finden viele Grüne, dass Steinbrücks Pannen – ob
       Nebeneinkünfte, Pinot Grigio oder Kanzlergehalt – alle um Geld oder
       Bezahlung kreisen. Das karikiert eine zentrale Botschaft von Rot-Grün:
       Unter uns soll es den kleinen Leuten besser gehen. Gerhard Schick,
       Finanzexperte der Fraktion, sagt: „Für uns macht die Diskussion um
       Steinbrück noch mal deutlich, wie wichtig es ist, dass wir Grünen beim
       Thema Gerechtigkeit klar positioniert sind.“
       
       ## Ist Steinbrück „irreparabel beschädigt“?
       
       Die Partei, die etwa für eine Vermögensabgabe eintritt und ihre
       Wahlversprechen penibel durchgerechnet hat, kommt momentan im Vergleich mit
       ihrem Wunschpartner SPD unaufgeregt, ja geradezu langweilig seriös daher.
       All dies könnte den Grünen aber am Ende nichts nützen. Was die SPD mit
       Steinbrück in kleinbürgerlichen, linkssozialdemokratischen Milieus an
       Wählern verliert, können die Grünen nicht auffangen.
       
       In der Partei sind deshalb viele fassungslos angesichts der
       Fettnäpfchen-Serie. Und machen hinter vorgehaltener Hand ihrem Ärger Luft:
       „Jeder Sparkassendirektor kann besser Wahlkampf als Peer Steinbrück“,
       lästert ein Abgeordneter. Er habe Angst, dass der SPD-Mann inzwischen
       „irreparabel beschädigt“ sei, sagt ein Parteifunktionär. Persönliche
       Unanständigkeit eines Kandidaten sei für die Wähler viel greifbarer als
       politische Unanständigkeit, weshalb Steinbrück gegenüber Merkel abfalle.
       
       Fraktionsvizechefin Kerstin Andreae betont, die Steinbrück-Debatten seien
       nicht ihr Thema. „Die Grünen sind eine eigenständige Partei. Mit dieser
       Eigenständigkeit werden wir selbstbewusst Wahlkampf machen.“ Die Frage ist
       nur: Was bringt den Grünen ihr Selbstbewusstsein, wenn die SPD schwächelt?
       
       ## Die einzige grüne Machtoption
       
       Die Führung um Jürgen Trittin hat die Partei seit langem auf eine
       Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten eingeschworen. Mit Spekulationen
       über Schwarz-Grün oder eine Ampel-Koalition fürchten sie Wähler zu
       vergraulen. Folglich haben diese zu unterbleiben, lautet die einhellige
       Analyse. Fraktionschefin Renate Künast schloss im Oktober beide Optionen
       aus, selbst Realos, die früher für Offenheit plädierten, schweigen. Und
       Jürgen Trittin stellte im Dezember demonstrativ gemeinsam mit Steinbrück
       Pläne für eine Bankenregulierung vor. An dem SPD-Kandidaten hängt deshalb
       die einzige grüne Machtoption.
       
       Dieser Kurs wird von einigen Grünen, meist vom Realo-Flügel, nur
       widerwillig mitgetragen. Sie nervt, dass sich die Grünen an die SPD ketten.
       Mancher hofft nun auf eine neue Debatte über die Eigenständigkeit der
       Partei. „Das ist die Chance, die in dieser traurigen Gemengelage steckt“,
       sagt ein Stratege.
       
       8 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
   DIR Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
   DIR Kanzlerkandidatur
   DIR Rot-Grün
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Peer Steinbrück
   DIR Wahlkampf
   DIR Steinbrück
   DIR Rot-Grün
   DIR Steinbrück
   DIR DGB
   DIR Niedersachsen
   DIR Steinbrück
   DIR Steinbrück
   DIR Kanzlerkandidatur
   DIR Steinbrück
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Schwerpunkt Landtagswahlen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Grüner Spitzenkandidat in Niedersachsen: Wenzel, der alles hinterfragt
       
       Mit seinem Pragmatismus eckt Stefan Wenzel bei der linken Grünen-Basis
       immer wieder an. Wegen seines Aufklärungswillens ist er trotzdem
       unangefochten.
       
   DIR Debatte um SPD-Kanzlerkandidaten: Gabriel hält an Steinbrück fest
       
       Auch wenn die SPD in Niedersachsen verliert, soll Steinbrück
       Kanzlerkandidat bleiben. Anderslautende Gerüchte seien „dummes Zeug“, so
       Parteichef Gabriel.
       
   DIR Klausurtagung der Grünen: Jürgen Trittins verzweifelter Seiltanz
       
       Der mächtigste Grüne will Diskussionen über Schwarz-Grün oder eine Ampel
       unterbinden. Aber für Rot-Grün wird es wohl eng.
       
   DIR Wählerumfrage der ARD: Der Peer hat's schwer
       
       Das dürfte eine harte Bundestagswahl für die SPD werden. Mit ihrem
       Kanzlerkandidaten können die Wähler jedenfalls nicht viel anfangen.
       
   DIR DGB und SPD: Ehrenrettung für Steinbrück
       
       DGB-Chef Sommer interpretiert Steinbrücks Kritik am Kanzlergehalt als Ruf
       nach mehr Lohn im öffentlichen Dienst. Eine Wahlempfehlung vermeidet er.
       
   DIR SPD-Spitzenkandidat in Niedersachsen: Weil, den keiner kennt
       
       Ein spröder Typ mit Bilderbuchkarriere in der SPD. Das ist Stephan Weil.
       Bald könnte der 54-Jährige Niedersachen regieren.
       
   DIR SPD-Rechte beklagen Medienkampagne: „Scheinheilig und lächerlich“
       
       Der Seeheimer Kreis, Flügelorganisation der SPD-Rechten, hat die Schuldigen
       für Peer Steinbrücks Imageprobleme gefunden: die Medien.
       
   DIR Steinbrück bei Thyssen-Krupp: Einfach kein glückliches Händchen
       
       SPD-Kanzlerkandidat soll für Thyssen-Krupp seinen Einfluss zweifelhaft
       genutzt haben. Fehlinvestitionen des Konzerns bekam er hingegen nicht mit.
       
   DIR Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Die Zweifel wachsen
       
       An der SPD-Basis gibt es leise Kritik an Peer Steinbrück. Doch am 20.
       Januar wird in Niedersachsen gewählt. Und was, wenn die Wahl unter ihm
       verloren geht?
       
   DIR Steinbrück wollte Sparkassenchef werden: Kanzlerkandidat ohne Klein-Klein
       
       Steinbrück wusste, was er sagte, als er das Gehalt der Kanzlerin mit dem
       eines Sparkassendirektors verglich: Er selbst wollte 1998 Chef eines
       Bankenverbands werden.
       
   DIR Der Arbeitsmarkt unter Rot-Grün: Weniger Minijobs und Zeitverträge
       
       Im Fall eines Wahlsiegs will Rot-Grün den Arbeitsmarkt umkrempeln.
       Mindestlohn, Tarifverträge, Minijobs, Leiharbeit und mehr sollen geändert
       werden.
       
   DIR Landtagswahl in Niedersachsen: Als wäre Rot-Grün schon gewählt
       
       SPD und Grüne präsentieren sich vor der Wahl in Niedersachsen so, als ob
       Rot-Grün schon an der Macht sei. Es könnte knapp reichen.