URI: 
       # taz.de -- Inflationäre Nutzung von Smileys: Es geht immer um Sex
       
       > Sind Menschen, die andauernd Smileys benutzen, einfach nur faul oder
       > dumm? Es hilft jedenfalls nicht dabei, Nachrichten besser zu verstehen.
       > Im Gegenteil.
       
   IMG Bild: Fast so schlimm wie Hitler: Das Smiley.
       
       Meine Freundin J. sucht seit einiger Zeit eine neue Mitbewohnerin. Die
       Suche gestaltet sich schwieriger als gedacht, da sich die meisten
       Interessenten schon bei der ersten Kontaktaufnahme selbst disqualifizieren.
       „Gestern zum Beispiel hab ich eine Mail gekriegt, wo in jedem zweiten Satz
       ein Smiley vorkam“, sagt J. „So jemand kommt mir nicht ins Haus.“
       
       Ich kann sie gut verstehen. Wer möchte schon einen Mitbewohner mit
       Gute-Laune-Tourette? Menschen, die so exzessiv mit Smileys um sich werfen,
       lesen abends auch gerne ein „gutes Buch“ – im Gegensatz zu all den anderen,
       die es vorziehen, schlechte Bücher zu lesen.
       
       Dabei hat das Smiley in seiner ursprünglichen Bedeutung ja durchaus seine
       Berechtigung. Es wurde nämlich erfunden, um Witze oder Ironie deutlich zu
       machen, obwohl man weder die Mimik des Gegenübers sieht oder dessen Stimme
       hört. In Zeiten, in denen sich die Kommunikation immer mehr auf
       elektronische Nachrichten verlagert, eine kluge Idee. So werden eventuelle
       Missverständnisse schon im Vorfeld ausgeräumt.
       
       ## Dumm, faul, Smiley
       
       Die Frage ist nur, ob man wirklich unbedingt ein grafisches Hilfsmittel
       braucht, um deutlich zu machen was man eigentlich meint. Erfüllt nicht die
       Sprache selbst diesen Zweck, jedenfalls wenn man sie richtig benutzt? So
       liegt die Vermutung nahe, dass Smiley-Benutzer entweder zu dumm sind, einen
       Satz so präzise zu formulieren, dass man versteht was gemeint ist. Oder sie
       sind einfach nur faul.
       
       Selbst der Erfinder des Smileys, Scott Fahlman, kritisiert mittlerweile den
       inflationären Gebrauch des Zeichens und spricht von einer „Verschmutzung
       der Kommunikationskanäle“. Wenn der meine Facebook-Timeline sehen könnte!
       Ständig lese ich Statusmeldungen wie diese: „Urlaub!!! :-)“. Hat nicht
       schon das Wort Urlaub an sich, eben weil es die Abwesenheit von Arbeit
       beschreibt, eine unmissverständlich positive Konnotation? In meiner Welt
       jedenfalls schon.
       
       Aber der Schreibende kann offenbar nicht umhin, seine Aussage auch noch mit
       drei (!) Ausrufezeichen und einem Smiley zu garnieren. Herrje, wie dringend
       kann ein Mensch Urlaub brauchen? Wird er bei der Arbeit gemobbt? Und wo
       fährt er überhaupt hin? Das wären Dinge, die mich interessieren.
       Stattdessen bekomme ich dreimal die gleiche Information. Das nervt. Oder um
       es so zu formulieren, dass sich die Richtigen angesprochen fühlen: :-(
       
       ## „Hey, wie geht es dir? :-)“
       
       Noch mehr Interpretationsmöglichkeiten bieten Nachrichten wie: „Hey, wie
       geht es dir? :-)“. Jemand, der mit mir befreundet ist, erkundigt sich nach
       meinem Befinden. Soweit ist alles klar. Aber was, zum Teufel, bedeutet das
       Smiley?
       
       Möglichkeit 1: Der Verfasser nutzt jede Gelegenheit, um zu zeigen, dass er
       ein lustiger Mensch ist. Hihi.
       
       Möglichkeit 2: Der Verfasser ist hinterhältig. Er stellt mir nicht nur eine
       einfache Frage, sondern teilt mir gleichzeitig mit, dass es ihm fantastisch
       geht. Nun erwartet er, dass ich gefühlsmäßig mindestens auf seinem Level
       bin, denn für meine Probleme ist ihm seine Zeit wirklich zu schade.
       
       Möglichkeit 3: Weil ich mich schon länger nicht mehr gemeldet habe und die
       Nachricht eventuell als Vorwurf verstehen könnte, versucht der Verfasser zu
       vermeiden, dass ich durch seine Nachfrage ein schlechtes Gewissen bekomme
       (siehe oben: präziser Umgang mit Sprache).
       
       ## Soll individuell sein, ist es aber nicht
       
       Möglichkeit 4: Der Verfasser spürt, dass er sich einer Floskel bedient und
       versucht, diese durch den Gebrauch eines Smileys aufzuwerten. Soll
       individuell sein, ist es aber nicht.
       
       Möglichkeit 5: Ironie. Der Verfasser weiß ganz genau, dass es mir gerade
       beschissen geht und findet es lustig, auch noch darauf herumzureiten.
       Trotzdem immer noch besser als „Hey, wie geht es dir? :-(“.
       
       Möglichkeit 6: Sex. Es geht immer um Sex.
       
       Das sind ganz schön viele Interpretationsmöglichkeiten dafür, dass ein
       Smiley Irritationen vermeiden soll. Vielleicht erinnern Sie sich noch an
       die SMS, die Angela Merkel vor zweieinhalb Jahren an Sigmar Gabriel
       schrieb, nachdem dieser Joachim Gauck als Bundespräsidenten vorgeschlagen
       hatte: „Danke für die info und herzliche grüße am“. Ohne Smiley,
       wohlgemerkt. Was sie damit meinte, war trotzdem offensichtlich. Oder gerade
       deshalb.
       
       8 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Seyboldt
       
       ## TAGS
       
   DIR Soziale Netzwerke
   DIR Schwerpunkt Meta
   DIR Datenschutz
   DIR DDR
   DIR Schwarzwald
   DIR Zeitung
   DIR Drogen
   DIR China
   DIR SPD
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Soziales Netzwerk „Emojli“: :( :( :( :( :( :( :( :( :( :( :( :( :( :( :(
       
       Ein Online-Netzwerk, das nur mit bunten Emoticons auskommt? Zwei
       Unternehmer finden, das erleichtere die Kommunikation. Wir auch.
       
   DIR Studie über Facebook: Die Neidspirale
       
       Facebook macht neidisch auf das vermeintlich schöne Leben von anderen, sagt
       eine Studie. Was Abhilfe schafft? Mut zu einer „Loser“-Kampagne!
       
   DIR Datenschutz bei Facebook: Schneller als Papier
       
       Hamburgs Datenschützer wollen Jugendlichen den Umgang mit Facebook
       beibringen. Die Broschüre zur Aufklärung ist aber bereits zum Erscheinen
       veraltet.
       
   DIR Deutsche Wiedervereinigung: Kampflos, das war das Schlimmste
       
       Plötzlich hatte der Feind gesiegt. Eltern, Lehrer – alle kapitulierten. Und
       versuchten nicht einmal zu erklären, warum das beste aller Länder
       verschwand.
       
   DIR Parabel über Anpassung: Warum er sterben musste
       
       Der Schwarzwaldjunge bekreuzigte sich stets artig zum Glockenschlag. Doch
       etwas stimmte nicht mit ihm.
       
   DIR Zeitung gestern und morgen: Im Raum voll der schönsten Frauen
       
       Auch als die erste Nummer der taz erschien, musste alles schnell gehen.
       Eine Erinnerung an eine Zeit, die von heute aus betrachtet gemütlich wirkt.
       
   DIR Was beim Tanzen passiert: Extrem außer und ganz bei sich
       
       Über das beglückende Gefühl, am richtigen Ort zur richtigen Zeit und das
       Zentrum der Welt zu sein. Eine Reflexion über den Zustand, wenn das Denken
       aufhört.
       
   DIR Wiedersehen nach dem Bürgerkrieg: Die Macker von der Adria
       
       Sommer, Sonne, Adria: Auch die schönste Kulisse kann die tragischen
       Geschichten in den Biografien aller Exjugoslawen Mitte dreißig nicht
       verbergen.
       
   DIR Drogen nehmen in Berlin: Einmal Fair-Trade-Biokoks, bitte
       
       Für Berliner Partygänger hat ein Dealer etwas ganz Besonderes. Er vertickt
       reines Biokoks. Guter Stoff, noch besseres Gewissen.
       
   DIR Zahlen und Journalismus: 10.000 Schritte gehen - oder googeln
       
       Wer Journalist sein will, muss rechnen können. Vor allem umrechnen: am
       besten in Fußballfelder. Um die Komplexität zu reduzieren. Sie wissen
       schon, knickknack.
       
   DIR In China ist ein Sack Reis umgefallen: Mitten in Peking
       
       Auf dem Sanyuanli-Markt ist es passiert. Und es muss ruckartig gewesen
       sein. Aber niemand macht sich die Mühe, den Sack Reis wieder aufzustellen.
       
   DIR Journalisten in Parteien: Sag's besser keinem
       
       Journalisten sollten nicht Mitglied in einer Partei sein, das mache sie
       angreifbar. Da sind sich viele Kollegen einig. Aber warum eigentlich? Ein
       Bekenntnis.