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       # taz.de -- Euro-Beitritt Polens: Nur ein halber Fuß in der Euro-Tür
       
       > Experten warnen, dass Polen den günstigsten Zeitpunkt zum Euro-Beitritt
       > verpasst. Es drohe die Abkoppelung von den Handelspartnern in Europa.
       
   IMG Bild: Euro ja, aber bitte sozial: Demo in Warschau am Europäischen Protesttag im November 2012.
       
       WARSCHAU taz | Polen hat die Finanzkrise besser überstanden als viele
       andere Länder Europas. Dass die Stimmung in Warschau zu Jahresbeginn
       dennoch etwas getrübt war, lag an einer mahnenden Bemerkung aus dem fernen
       Brüssel. „Die Regierung in Warschau hat genau ein halbes Jahr Zeit, um sich
       zu entscheiden, ob Polen den Euro übernehmen will oder für lange Jahre
       außerhalb der Eurozone bleiben wird“, erklärte der aus Polen stammende
       EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski kurz vor Silvester.
       
       Die feinhörigen Polen nahmen sofort die in diesem harmlos klingenden Satz
       versteckte Warnung wahr: die ohne Einführung des Euro drohende Abkoppelung
       von den wichtigen europäischen Handelspartnern und eine anhaltende
       Rezession. Mit dem Euro aber, so die weit verbreitete Sorge, könnte eine
       ruinöse Teuerungsrate auf Polen zukommen. Premier Donald Tusk und Präsident
       Bronislaw Komorowski reagierten wie immer, wenn es um den Euro geht: „Wir
       treten bei, wenn es für uns am günstigsten ist.“
       
       Seit 2008, als Tusk zum ersten Mal ernsthaft den Beitritt Polens zur
       Währungsunion plante und einen Fahrplan dafür ausarbeiten ließ, hat sich an
       den Argumenten der führenden Politiker nichts geändert. In Zeiten der Krise
       vermittelt die Regierung den Polen das Gefühl, das Land rage wie eine
       „grüne Insel“ – damit sind in Polen schwarze Zahlen gemeint – aus dem roten
       Schuldensumpf heraus. Und zwar nur, weil es den Zloty als Landeswährung
       behalten habe. Ein etwas merkwürdiges Argument, denn schließlich traf die
       Finanz- und Schuldenkrise auch viele Nicht-Euro-Länder.
       
       Warschau hatte in den letzten Jahren den Ehrgeiz aufgegeben, die
       Beitrittsbedingungen für den Euro, die sogenannten Maastricht-Kriterien, zu
       erfüllen: eine Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent und ein
       Haushaltsdefizit von höchstens 3 Prozent des jährlichen
       Bruttoinlandsprodukts (BIP), ferner eine Inflationsrate, die nur 1,5
       Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Euro-Länder liegen
       darf, und Wechselkursschwankungen der Landeswährung von höchstens 15
       Prozent.
       
       ## Polen erfüllt kaum Kriterien
       
       Polen erfüllt mit Ausnahme der Staatsverschuldung keines dieser Kriterien.
       Die gleichzeitig mit Polen in die EU aufgenommenen Länder Slowenien, Zypern
       und Malta, die Slowakei und Estland hingegen haben alle inzwischen den Euro
       eingeführt. Demnächst wollen auch Litauen und Lettland nachziehen.
       
       Seit Ausbruch der Eurokrise werden immer mehr Entscheidungen innerhalb der
       EU im engeren Kreis der Euroländer getroffen. Noch ist das den meisten
       Polen gar nicht bewusst. Sie vertrauen den Zusicherungen Premier Tusks,
       dass Polen den „Fuß in der Tür“ habe und den Euro eben genau dann
       übernehmen werde, wenn es für das Land am günstigsten sei. Nun allerdings
       warnen Lewandowski und andere Experten, dass dieser Zeitpunkt bald verpasst
       sein könnte.
       
       Doch Jaroslaw Kaczynski, Chef der rechtsnationalen Oppositionspartei Recht
       und Gerechtigkeit, winkt ab. Seine Partei werde auf keinen Fall einer
       Verfassungsänderung zustimmen, die die Einführung des Euro vorsieht. Die
       Regierung will dennoch eine große Euro-Debatte im Land anstoßen. Im Februar
       wollen sich Polens Abgeordnete den ersten großen Euro-Schlagabtausch seit
       langem liefern.
       
       6 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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