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       # taz.de -- Transplantationsskandal in Leipzig: Anreize zum Organhandel
       
       > Nach dem Organspendeskandal in Leipzig ist eine Debatte unter Ärzten
       > entbrannt. Sie fordern, die Zahl der Transplantationszentren zu
       > verringern.
       
   IMG Bild: Gestatten, ihre neue Leber.
       
       MÜNCHEN taz | Der Skandal um manipulierte Daten von leberkranken Patienten
       am Uniklinikum Leipzig hat die Debatte über die Zukunft der
       Transplantationsmedizin in Deutschland neu entfacht. Ökonomische
       Fehlanreize durch leistungsabhängige Bezahlung der Klinikärzte sowie die
       Konkurrenz der 47 deutschen Transplantationszentren um viel zu wenige
       Organe für viel zu viele Patienten begünstigen Experten zufolge, dass Ärzte
       sich dazu verleiten lassen, die Daten ihrer Patienten zu fälschen – damit
       diese schneller ein lebensrettendes Organ zugeteilt bekommen.
       
       Am Dienstag hatte das Uniklinikum Leipzig bekannt gegeben, dass in den
       Jahren 2010 und 2011 bei etwa jedem fünften transplantierten Leberpatienten
       aus Leipzig die Krankenakten zuvor gefälscht worden waren.
       
       Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, forderte in
       diesem Zusammenhang, auf mittlere Sicht solle es statt vieler kleiner
       Zentren lieber wenige große geben. Das mache nicht nur die Kontrolle der
       Zentren einfacher, sondern verhindere falsche ökonomische Anreize.
       
       Für eine Verringerung der Anzahl der Zentren sprach sich auch der
       Vorsitzende der Deutschen Stiftung für Patientenschutz, Eugen Brysch, aus,
       und zwar um mehr als die Hälfte. „Mit gut 20 Zentren kommen wir sehr gut
       hin“, sagte Brysch. Patienten müssten ja nicht wohnortnah behandelt werden,
       „sondern qualifiziert“. Ohnehin sei Wettbewerb in einem „so sensiblen
       Bereich“ wie der Organspende unangebracht.
       
       Ähnlich argumentieren seit Bekanntwerden der anderen
       Transplantationsskandale der vergangenen Monate in Göttingen, Regensburg
       und München auch der Verband der gesetzlichen Krankenkassen sowie
       Oppositionspolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei.
       
       ## Schädlicher Konkurrenzdruck
       
       Unterstützung erhalten sie von unerwarteter Seite: Karl-Walter Jauch,
       Direktor der Chirurgie am Klinikum Großhadern und designierter ärztlicher
       Direktor der Ludwig-Maximilians-Universität München, sagte der taz, eine
       drastische Reduzierung der Lebertransplantationszentren – derzeit sind es
       bundesweit 24 – sei „unerlässlich“. Die Anzahl übersteige nicht nur
       „deutlich den Bedarf“, sondern führe zu schädlichem Konkurrenzdruck.
       
       Je höher dieser sei, desto größer die Gefahr, dass Zentren auch Organe
       schlechterer Qualität verpflanzten, etwa von älteren oder erkrankten
       Spendern. Oder dass sie, nur um am Markt mit entsprechenden Fallzahlen zu
       bestehen, auch schwerstkranke Patienten als Organempfänger akzeptierten,
       bei denen eine Transplantation eigentlich aussichtslos sei. In der Folge
       „liegt die Ergebnisqualität der Lebertransplantationen in Deutschland weit
       unter international akzeptierten Standards“.
       
       Problematisch ist laut der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie überdies,
       dass vielerorts Chefärzte immer noch in Abhängigkeit der erbrachten
       Leistung anhand der Menge vergütet werden. Auch solche Verträge könnten
       Fehlverhalten begünstigen, warnte die Gesellschaft.
       
       3 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Haarhoff
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