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       # taz.de -- Neuer Transplantationsskandal: Leipziger Leberschaden
       
       > An der Uniklinik Leipzig wurden Patienten mit unlauteren Mitteln
       > Spenderlebern verschafft. Zur Arbeitsweise der Behörden gibt es
       > verschiedene Meinungen.
       
   IMG Bild: Wer die wohl bekommt?
       
       BERLIN taz | Am Leipziger Universitätsklinikum sind offenbar in großem Stil
       Patientendaten gezielt gefälscht worden, um Schwerstkranken schneller zu
       einer Lebertransplantation zu verhelfen. Der medizinische Vorstand der
       Klinik, Wolfgang Fleig, sagte am Mittwoch, nach derzeitigem Stand seien
       zwischen 2010 und 2012 bei 38 Patienten, die auf eine Leber gewartet
       hätten, falsche Angaben gegenüber der für die Organverteilung
       verantwortlichen Stiftung Eurotransplant gemacht worden.
       
       Ärzte seiner Klinik hätten die leberkranken Patienten fälschlicherweise
       zusätzlich noch als nierenkranke Dialysefälle ausgewiesen – und sie damit
       kränker gemacht, als sie tatsächlich waren. Auf diese Weise rückten die
       Kranken auf der Warteliste für ein Spenderorgan nach oben. In Wirklichkeit
       aber fanden die vermeintlichen Dialysen nie statt. Der Betrug ähnelt den
       Datenmanipulationen an den Unikliniken Göttingen, Regensburg und München,
       wo Staatsanwälte wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das
       Transplantationsgesetz ermitteln.
       
       Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat nach Angaben eines Sprechers „auf
       Grundlage der Pressemitteilung der Uniklinik“ am Mittwoch ein
       „Prüfverfahren eingeleitet“. Die Uniklinik selbst habe bislang nicht
       Anzeige erstattet und auch keine Akten zur Verfügung gestellt.
       
       Fleig bezeichnete den Betrug als „bestürzend“. Er sei „fest davon
       ausgegangen“, dass die Mediziner in Leipzig sich regelkonform verhalten
       hätten. Über die Motive der beschuldigten Ärzte rätsele er selbst, sagte
       Fleig: Zwar könne er sich Bestechung nicht vorstellen, aber: „Ich kann
       nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass kein Geld geflossen ist.“
       
       ## Die „Tiefenprüfung“kommt
       
       Aufgefallen waren die Unregelmäßigkeiten im Dezember durch Untersuchungen
       der Prüfungskommission von Bundesärztekammer, Krankenkassen und
       Krankenhausgesellschaft. Deren Vorsitzender, Hans Lippert, sagte der taz,
       noch in dieser Woche würden seine Kollegen in Leipzig eine weitere
       „Tiefenprüfung“ starten. Ziel sei herauszufinden, ob bereits auch vor 2010
       Daten gefälscht wurden.
       
       Als erste Konsequenz wurden der Direktor der Transplantationsklinik sowie
       zwei Oberärzte beurlaubt. Nur diese Ärzte hätten die Verantwortung dafür
       getragen, wie die Patientenblätter ausgefüllt worden seien, sagte Fleig:
       „Ob Dialyse oder nicht, ist ein Kreuzchen am Computer.“
       
       Eine Sprecherin der Berliner Charité, wo der nun suspendierte Leipziger
       Klinikdirektor bis 2008 gearbeitet hatte, sagte der taz, während der
       Tätigkeitsdauer des Arztes an der Charité und auch darüber hinaus seien
       keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden. Entsprechende Prüfungen durch
       die Bundesärztekammer hätten dies bestätigt.
       
       ## Strafrechtler gegen Aufsichtsbehörde
       
       Das sächsische Wissenschaftsministerium als Aufsichtsbehörde wiederum lobte
       die Uniklinik Leipzig für ihre „Entschlossenheit“ und sieht, so eine
       Sprecherin zur taz, „derzeit keine Notwendigkeit, weitere Schritte
       einzuleiten“.
       
       Der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der
       Bundesärztekammer, der Strafrechtler Hans Lilie, widersprach dieser
       Einschätzung: „Wir sind jetzt zwar so weit, dass wir die Leute, die Böses
       tun, durch unsere Prüfungen kaltstellen“, sagte er der taz.
       
       Das allein reiche aber noch nicht, um das Vertrauen in die Organspende
       wiederherzustellen und die Krise der Transplantationsmedizin zu beenden:
       „Wir müssen die Kriterien der Organvergabe überarbeiten, wir müssen uns
       fragen, ob wir an den vielen Transplantationszentren festhalten wollen, und
       wir brauchen bessere wissenschaftliche Daten, um den Langzeiterfolg von
       Transplantationen bewerten zu können“, so Lilie.
       
       2 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Haarhoff
       
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