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       # taz.de -- Jakob Augstein: Auszeichnung für Antisemitismus
       
       > Jakob Augstein wurde vom SWC in die „Top Ten der antisemitischen
       > Beschimpfungen“ gewählt. Journalist Broder findet Platz 9 sogar noch zu
       > weit hinten.
       
   IMG Bild: Zweifelhafte Ehre für Jakob Augstein: Platz 9 auf der „Top Ten der antisemitischen und antiisraelischen Beschimpfungen“.
       
       BERLIN taz | Jakob Augstein ist Herausgeber der linken Wochenzeitung Der
       Freitag, Buchautor, Journalist und Medienpreisträger. Zum Jahresende hat
       der 45-Jährige noch ein neues Alleinstellungsmerkmal dazu bekommen: Das
       Simon Wiesenthal Center (SWC) setzte Augstein auf Platz 9 der [1][„2012 Top
       Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs“], also die „Top Ten der antisemitischen
       und antiisraelischen Beschimpfungen“.
       
       Wie er zu dieser zweifelhaften Ehre gekommen ist? Der Sohn des
       Spiegel-Begründers setzt sich in seiner Kolumne „Im Zweifel links“ auf
       Spiegel online wöchentlich mit politischen Themen auseinander, besonders
       gerne mit Israel, welches er als „Besatzungsmacht“ bezeichnet. Schon
       mehrfach gab es Kritik über Augsteins Ton, den er im Umgang mit den Nahen
       Osten zu Tage legte.
       
       „Früher war es eine Schande, für einen Antisemiten gehalten zu werden“,
       schreibt Augstein in seiner [2][Kolumne vom 26. November] unter dem Titel
       „Überall Antisemiten“. Und folgert daraus: „Inzwischen muss man einen
       solchen Vorwurf nicht mehr ernst nehmen. Im Meer der hirn- und folgenlosen
       Injurien des Internets geht auch diese Beschimpfung einfach unter.“
       
       ## Einziger Deutscher auf der Liste
       
       Doch der Journalist irrt: Diesmal hat es der Vorwurf der Judenfeindlichkeit
       bis nach Los Angeles ins renommierte SWC geschafft, Augstein ist als
       einziger Deutscher auf der Liste. Platz eins belegen die ägyptischen
       Muslimbrüder Muhammad Badie und Futouh Abd al-Nabi Mansour. Der
       [3][Artikel] zum Ranking in der Jerusalem Post ist seit dem Erscheinen am
       Freitag der meistgeklickte.
       
       Ist Augstein ein Hamasversteher? Von einem linken, intellektuellen
       Antisemitismus infiziert? Einer der Polterstenden, Henryk M. Broder, hat
       diese Frage für sich jetzt deutlich mit Ja beantwortet. In seinem
       [4][„Brief an meinen Lieblings-Antisemiten“] (Welt, 6.12.) wendet sich der
       Journalist Broder direkt an Augstein und macht sich über dessen
       „Juden-Obsession“ her: „Auch ich kenne einen Antisemiten, den ich mag. Er
       ist umfassend gebildet, hat gute Manieren, ein Herz für die Armen und
       Ausgebeuteten und er verjubelt sein Erbe, um ein sieches Zeitungsprojekt am
       Leben zu erhalten. (...) Sie, Jakob Augstein, sind 'my favorite
       anti-Semite'.“
       
       Broder ist im Meinungskampf wahrlich nicht der Feinste. „Bei dem
       Publizisten Henryk M. Broder sind ohnehin schon seit langem alle Bremsen
       defekt“, attestierte ihm Augstein im November. Eine Diagnose, die durchaus
       nicht immer ganz unsinnig erscheint.
       
       Doch das SWC ist schon eine andere Liga als Broder. Jedes Jahr gibt das
       Zentrum eine Liste der „meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher“ heraus. Es
       vergibt auch Noten an Länder für die strafrechtliche Verfolgung von
       NS-Verbrechern. Sie reichen von A wie ausgezeichnet bis F wie fehlerhaft.
       
       Die 1977 gegründete internationale Menschenrechtsorganisation hat ihren
       Hauptsitz in Los Angeles und wurde nach dem österreichischen Juden Simon
       Wiesenthal (1908 bis 2005) benannt. Der Nazijäger verlor viele Angehörige
       während des Holocaust. Das Wiesenthal-Zentrum kämpft weltweit gegen
       Rassismus, Antisemitismus, Terrorismus und Völkermord und setzt sich für
       die Förderung von Toleranz ein. Die Stellungnahmen haben Gewicht und werden
       weltweit geachtet.
       
       ## Nicht antisemitisch, aber eindeutig antiisraelisch
       
       Doch wie hat Augstein es geschafft, auf eine Liste mit Muslimbrüdern und
       dem ukrainischen Nationalisten Oleg Tyagnibok zu kommen? Augsteins Kolumnen
       sind nicht antisemitisch zu lesen, sie sind aber eindeutig antiisraelisch.
       Was sie auch sein dürfen, denn Israelkritik ist nicht verboten, es geht
       nicht um undifferenziertes Beklatschen jeder Zumutung des israelischen
       Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
       
       Doch Augstein pauschalisiert nahezu durchgehend, differenziert kaum, seine
       Wortwahl ist gruselig. Nur vier Beispiele: „Gaza ist ein Gefängnis. Ein
       Lager. Israel brütet sich dort seine eigenen Gegner aus“ ([5][19.11.,
       Spiegel Online]), der israelischen Regierung attestiert er Kapital aus dem
       Mohammed-Schmähvideo zu schlagen ([6][17.9., Spiegel Online]), „Sie (die
       israelische Politik) hat Angst vor der Zukunft und außer Gewalt kennt sie
       kaum eine Antwort“ ([7][15.9.2011, Spiegel Online]). Schon alleine Gaza und
       Lager in einem Atemzug zu nennen, ist unerträglich. In einem Beitrag giftet
       Augstein gegen ultraorthodoxe Juden, die Kinder bespucken würden und
       folgert daraus: „Diese Leute sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihre
       islamistischen Gegner. Sie folgen dem Gesetz der Rache“ ([8][19.11.,
       Spiegel Online]).
       
       Broder findet sogar, dass der neunte Platz viel zu weit unten sei. „Er
       gehört weiter nach oben, auf Platz drei etwa“, sagte er der taz und
       bemängelt insgesamt: „Diese Liste hat einen Fehler. Moderne Antisemiten wie
       Augstein werden kaum berücksichtigt. Die klassischen Antisemiten und
       Holocaustleugner stehen zu sehr im Vordergrund.“ Eine Ansicht, die man
       nicht teilen muss und die angesichts Augsteins Kalender-Polemiken zu weit
       ausgeholt erscheint.
       
       Ob er, wie ihm vorgeworfen wird, ein Antisemit ist oder sich als
       missverstandener Kritiker Israels sieht, das kann nur Augstein selbst
       beantworten. Für die taz war er bisher nicht erreichbar. Auf Facebook
       postete er [9][diese Stellungnahme]: „Das SWC ist eine wichtige,
       international anerkannte Einrichtung. Für die Auseinandersetzung mit dem
       und den Kampf gegen den Antisemitismus hat das SWC meinen ganzen Respekt.
       Um so betrüblicher ist es, wenn dieser Kampf geschwächt wird. Das ist
       zwangsläufig der Fall, wenn kritischer Journalismus als rassistisch oder
       antisemitisch diffamiert wird.“
       
       29 Dec 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.wiesenthal.com/atf/cf/%7B54d385e6-f1b9-4e9f-8e94-890c3e6dd277%7D/TT_2012_2.PDF
   DIR [2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kritik-an-israel-inflationaerer-gebrauch-des-antisemitismus-vorwurfs-a-869280.html
   DIR [3] http://www.jpost.com/JewishWorld/JewishFeatures/Article.aspx?id=297625
   DIR [4] http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article111852281/Brief-an-meinen-Lieblings-Antisemiten-Augstein.html
   DIR [5] http://www.spiegel.de/politik/ausland/jakob-augstein-ueber-israels-gaza-offensive-gesetz-der-rache-a-868015.html
   DIR [6] http://www.spiegel.de/politik/ausland/mohammed-film-wem-nuetzt-die-welle-der-wut-in-der-islamischen-welt-a-856233.html
   DIR [7] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/s-p-o-n-im-zweifel-links-israels-verpasste-chance-a-786383.html
   DIR [8] http://www.spiegel.de/politik/ausland/jakob-augstein-ueber-israels-gaza-offensive-gesetz-der-rache-a-868015.html
   DIR [9] http://www.facebook.com/pages/Jakob-Augstein/254924654552470?fref=ts
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cigdem Akyol
       
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