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       # taz.de -- Wahlkampf in Italien: Schrille Töne
       
       > Nach Parlamentsauflösung: Fünf mögliche Koalitionen, zahlreiche Parteien
       > und Silvio Berlusconi. Italien steht eine Schlammschlacht bevor.
       
   IMG Bild: Das kann ja heiter werden: Komiker Beppe Grillo sorgt auch im Wahlkampf ordentlich für Stimmung.
       
       ROM taz | Einen „maßvollen und konstruktiven Wahlkampf“ wünschte sich
       Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano, als er am Samstag die
       Auflösung des Parlaments verkündete. Sehr wahrscheinlich wird der Mann
       enttäuscht werden; Italien steht eine Schlammschlacht ins Haus.
       
       An der Linken liegt das nicht. Die Partito Democratico (PD) geht mit ihrem
       Bündnispartner Sinistra Ecologia Libertà (SEL – Linke, Ökologie, Freiheit)
       als haushohe Favoritin ins Rennen. Der Linksallianz werden circa 40 Prozent
       Stimmen zugetraut. Ihr Spitzenkandidat Pierluigi Bersani wurde Anfang
       Dezember bei Vorwahlen gekürt. Im Abgeordnetenhaus sollte es für die
       absolute Mehrheit reichen: Dort erhält die stärkste Kraft automatisch 54
       Prozent Sitze. Anders stehen die Dinge im Senat, dort nämlich wird der
       Mehrheitsbonus Region für Region vergeben.
       
       Als Koalitionspartner für die Linke könnte deshalb der Mitte-Block
       unverzichtbar werden. Das wären zum einen die christdemokratische
       Zentrumsunion UDC, zum anderen eine neue Liste unter Ferrari-Chef Luca
       Cordero Di Montezemolo. 10 Prozent sagen die Meinungsforscher diesem Block
       bisher voraus; sollte Monti gleichsam als Pate für die Allianz
       bereitstehen, könnten daraus auch 16 Prozent werden.
       
       Das dritte Team auf dem Felde – die Berlusconi-Rechte – wird alles daran
       setzen, solche Erfolge zu verhindern. Populistische Rhetorik, gepaart mit
       wüsten Ausfällen gegen Mario Monti, gegen Europa und gegen die
       „kommunistische“ Linke: Silvio Berlusconi schlägt in diesen Tagen den Ton
       an, der seine Kampagne prägen wird. Er setzt darauf, jene vergrätzten
       Wähler zurückzugewinnen, die der Stützung der „Steuererhöhungsregierung“
       Monti durch die Rechte nichts abgewinnen konnten. Gewohnt populistisch
       versucht Berlusconi auch, die Voraussetzungen für eine erneute Allianz mit
       der rechtspopulistischen Lega Nord zu schaffen. Die jedoch wäre zu einem
       Zusammengehen nur bereit, wenn der moralisch diskreditierte Berlusconi
       nicht mehr als Spitzenkandida antritt.
       
       ## Immer als Totengräber
       
       Äußerst rüde und aggressiv wird auch der Wahlkampf der vierten politischen
       Kraft ausfallen, der Anti-Parteien-Liste Movimento 5 Stelle unter dem
       Komiker Beppe Grillo. Mal als Mumien, mal als Zombies, immer aber als
       Totengräber der Demokratie beschimpft Grillo die Politiker der anderen
       Parteien – und das beschert ihm gegenwärtig an die 20 Prozent unter den
       krisengebeutelten Wählern.
       
       Zu knapp dürfte die Zeit wohl für die erst am Samstag gegründete „orange
       Liste“ werden. In ihr haben die Partei Italien der Werte des
       Ex-Staatsanwalts Antonio Di Pietro, kommunistische Kleinparteien,
       versprengte Linke und Grüne zusammengefunden, und mit Neapels Bürgermeister
       Antonio De Magistris sowie dem aus Palermo stammenden
       Anti-Mafia-Staatsanwalt Antonio Ingroia stehen populäre Frontleute zur
       Verfügung, doch es ist fraglich, ob die neue Kraft in so kurzer Zeit
       genügend Stimmen erobern kann.
       
       24 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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