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       # taz.de -- Wal-Schützer Watson über Gott und Würmer: „Meine Mission ist einfach“
       
       > Paul Watsons Leben ist eine Suche. Er fahndet mit einer Flotte auf hoher
       > See nach Walfängern. Wenn er sie findet, macht er ihnen das Leben zur
       > Hölle.
       
   IMG Bild: „Wir sind alle Veganer“ - Paul Watson, Walvater.
       
       Captain Paul Watson ist kinderleicht zu finden, obwohl ihn Interpol zur
       Fahndung ausgeschrieben hat. Er befindet sich an Bord seines Flaggschiffs,
       der „SSS Steve Irwin“, irgendwo vor der neuseeländischen Küste, in
       internationalen Gewässern. Irgendwie hat er es geschafft, ohne Pass von
       Deutschland aus den Globus zu umschippern. Für seine Mission: Wale retten.
       Man kann ihn anskypen, dann ruft er zurück. 
       
       taz: Mr. Watson, wie ist die Lage an Bord? 
       
       Paul Watson: Sehr gut, ich habe einen ruhigen Morgen. Die japanische
       Walfangflotte liegt noch in ihren Häfen vor Anker. Wir erwarten sie nicht
       vor Ende Dezember.
       
       Was machen Sie bis dahin? 
       
       Wir halten noch ein paar Manöver ab und üben verschiedene Taktiken. Unsere
       großen Schiffe liegen noch im Hafen, um Treibstoff zu sparen.
       
       Weihnachten ist nicht so Ihr Ding? 
       
       Die letzten neun Jahre war ich um diese Jahreszeit immer hier im
       Südpolarmeer. Genau genommen habe ich mehr Expeditionen hinter mir als
       Scott und Amundsen zusammen.
       
       Haben Sie wenigstens einen Truthahn an Bord? 
       
       Natürlich nicht, wir sind alle Veganer.
       
       Was genau suchen Sie eigentlich da draußen noch? 
       
       Meine Mission ist einfach: Wenn der Ozean stirbt, dann sterben wir auch.
       Wir versuchen die Menschheit vor ihren eigenen Exzessen zu beschützen. Wir
       überfischen die Ozeane und zerstören unsere eigene Lebensgrundlage.
       
       Sie wollen den Menschen etwa die Augen öffnen? 
       
       Wir versuchen einfach, nur so viele Wale wie möglich zu retten. Meine Crew
       besteht aus 120 Menschen aus 26 Nationen, fast nur Freiwillige. Man kann
       niemanden für das, was wir hier tun, in Geld bezahlen.
       
       Kann man sich bei Ihnen bewerben? 
       
       Klar. Unsere entscheidende Frage lautet: Würden Sie Ihr Leben riskieren, um
       einen Wal zu schützen? Das müssen die Leute unterschreiben. Wir leben in
       einer Gesellschaft, in der sich Menschen für alles Mögliche opfern: für Öl
       im Nahen Osten, für Patriotismus, für die Heimat. Es gibt edlere Gründe.
       
       Haben Sie jemals jemanden verloren? 
       
       In 35 Jahren nicht eine einzige Person. Wir hatten nie ernsthaft Verletzte
       und haben nie jemanden verletzt.
       
       Wann hatten Sie Ihren Moment der Erleuchtung? 
       
       1975, bei meinem ersten Einsatz mit Greenpeace. Wir haben eine sowjetische
       Walfangflotte entdeckt und versucht, sie in Schlauchbooten aufzuhalten. Als
       sie einen großen, männlichen Pottwal abgeschossen haben, bäumte er sich im
       Wasser auf. Direkt vor mir. Er hätte mich ohne Probleme umbringen können.
       Aber er hat sich bewusst dafür entschieden, es nicht zu tun. Er glitt neben
       uns ins Wasser, und ich blickte ihm in die Augen, kurz bevor er starb. Was
       ich gesehen habe, war Verständnis. Er hat verstanden, dass wir ihn schützen
       wollen. Und ich sah Mitleid, nicht für sich selbst, sondern für uns. Dass
       wir Leben einfach so nehmen, ohne Gründe. Seitdem schulde ich den Walen
       etwas.
       
       Sie haben diese Geschichte schon oft erzählt. Gehört das zum Marketing, zum
       Mythos Sea Shepherd? 
       
       Das ist nicht einfach nur eine Geschichte. Das ist meine Erfahrung, die
       mich tief verändert hat.
       
       Sie sind der gute Pirat, der die bösen Jungs jagt, der Rockstar der
       Ökobewegung. 
       
       Ich habe die Rolle nicht gesucht, es ist einfach passiert, weil ich mein
       ganzes Leben Wale geschützt habe.
       
       Glauben Sie an Gott? 
       
       Ich glaube an die prinzipiellen Gesetze der Ökologie. An das Gesetz, nach
       dem alle Spezies voneinander abhängig sind. Und an das Gesetz der endlichen
       Ressourcen. Wir brechen jede dieser Regeln jeden einzelnen Tag. Was ich
       glaube, ist, dass alle Spezies auf diesem Planeten gleich sind.
       
       Sie schocken gerne mit dem Satz: Würmer sind wichtiger als Menschen. 
       
       Ja, da werden dann immer alle wütend. Aber Würmer können auf diesem
       Planeten ohne Menschen leben, aber Menschen nicht ohne Würmer. Wir brauchen
       Fische, wir brauchen Bienen, die brauchen uns nicht.
       
       Würden Sie eher einen Regenwurm oder einen Menschen retten? 
       
       Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wenn ich die Wahl zwischen der Ausrottung
       der Würmer und einem Menschenleben hätte, dann würde ich die Würmer
       unterstützen.
       
       Retten Sie einen Wal, wenn dafür ein Mensch sterben muss? 
       
       Sie können kein Leben retten, indem sie ein anderes nehmen. Ich sehe keinen
       Vorteil darin, ein Lebewesen zu töten. Ich sehe nur einen Vorteil darin,
       eines zu beschützen.
       
       Sie hatten in Ihrem Leben wenig Zeit, sich um Ihre Familie zu kümmern.
       Bereuen Sie das manchmal? 
       
       Ich habe eine wunderbare Tochter. Sie ist stolz auf mich, ich bin stolz auf
       sie.
       
       Aber so eine richtige Heimat haben Sie nicht? 
       
       Der ganze Planet ist meine Heimat. Als ich in Frankfurt war, war Frankfurt
       meine Heimat, jetzt ist es gerade der Ozean hier um mich herum. Ich fühl
       mich überall wohl.
       
       Und das war schon immer so? 
       
       Ich habe nie eine bewusste Entscheidung dazu getroffen. Ich bin in einem
       kleinen Fischerdorf in Kanada aufgewachsen und habe mit zehn Jahren
       angefangen, Biber aus Fallen zu befreien. Ich hatte immer Berührung mit dem
       Ozeanen, mit Walen, Delfinen, mit der Wildnis. Als ich 18 Jahre alt war,
       hab ich Greenpeace mit gegründet. Da kam einfach alles zusammen.
       
       Können Sie eigentlich noch nach Deutschland zurück? 
       
       Schwer. Deutschland hat immer noch meine Pässe beschlagnahmt, einen
       kanadischen und einen US-amerikanischen.
       
       Sie sind ja auch einfach untergetaucht. 
       
       Ich musste mich nach meiner Verhaftung täglich zwei Mal bei der Polizei in
       Frankfurt melden, weil Costa Rica einen Haftbefehl gegen mich hatte. Im
       Juli hab ich einen Anruf von einem Unterstützer aus einem deutschen
       Ministerium erhalten. Der hat gesagt: Wenn du dich am Montag bei der
       Polizei meldest, wird man dich festnehmen und nach Japan ausliefern. Also
       bin ich untergetaucht.
       
       Sie saßen eine Woche in einem deutschen Gefängnis. Wie war’s? 
       
       Die haben mich gut behandelt, die Aufseher wollten sogar Autogramme haben.
       Jeder, der in der Geschichte bedeutende Veränderungen bewirkt hat, war im
       Gefängnis, Gandhi, Mandela …
       
       Sie wollen eine Woche U-Haft mit 27 Jahren Gefängnis in Südafrika
       vergleichen? 
       
       Ich vergleich mich nicht mit Mandela. Aber jemand, der versucht, was zu
       ändern, muss solche Konsequenzen fürchten.
       
       Wie konnten Sie entkommen? 
       
       Wie ich 9.000 Kilometer ohne meinen Pass gereist bin, bleibt meine Sache.
       Vielleicht muss ich es ja wieder mal machen. Aber ich hatte die Wahl:
       entweder 250.000 Euro verlieren oder den Rest meiner Tage im japanischen
       Knast verbringen. Jetzt hat Deutschland das Geld. Sollen die das doch zum
       Schutz der Wale ausgeben!
       
       Oder in Zeiten der Energiewende wie in Deutschland für Windmühlen? 
       
       Von mir aus. Aber vermutlich werden sie es nach Griechenland oder so
       überweisen.
       
       Sie waren bei Ihrer Festnahme auf dem Weg zu einem Star-Trek-Treffen. Was
       wollten Sie denn da? 
       
       Die Convention war vor der Verhaftung. Jedenfalls waren wir schon auf einer
       Menge solcher Star-Trek-Treffen. Wir gehen auf diese Veranstaltungen, um
       Geld zu sammeln. Die letzte hat uns eine Viertelmillion Dollar eingebracht.
       Aus ganz Hollywood kriegen wir viel Unterstützung.
       
       Sind Sie selbst ein Trekkie? 
       
       Meine Tochter ist eine. Sie arbeitet für Microsoft und produziert das Spiel
       Halo 4.
       
       So ein Ballerspiel? 
       
       Ja, die steckt ziemlich drin in diesen Science-Fiction-Sachen. Ach, und
       William Shatner will übrigens auf einem unserer Schiffe anheuern.
       
       James T. Kirk von der „Enterprise“ auf einem der Sea-Shepherd-Schiffe? 
       
       Ja, er würde gerne Kapitän werden.
       
       Na dann: Live long and prosper! 
       
       Danke schön. Sie auch!
       
       26 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
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