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       # taz.de -- Dubiose Baugeschäfte in NRW: Piraten erzwingen Aufklärung
       
       > Eine Landes-Firma in NRW soll mit Baugeschäften einen Millionenschaden
       > verursacht haben. Nun wurde der zweite Untersuchungsausschuss eingesetzt.
       
   IMG Bild: Die BLB verzichtete auf Vorkaufsrechte für das Grundstück: Bau des Landesarchivs in Duisburg
       
       KÖLN taz | Wenn er sich schon nicht verhindern lässt, dann stimmt man
       lieber dafür. Dank der Piratenpartei stimmten am Donnerstag alle Fraktionen
       im nordrhein-westfälischen Landtag für die erneute Einsetzung eines
       Untersuchungsausschusses zu dem dubiosen Treiben des Bau- und
       Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB).
       
       Es geht um die Verschwendung von Landesgeldern in mehrstelliger
       Millionenhöhe - und um den Verdacht von Korruption im großen Stil.Es ist
       der zweite Versuch, parlamentarisch Licht in die zwielichtigen Aktivitäten
       des landeseigenen Immobilienkonzerns während der Amtszeit der ehemaligen
       schwarz-gelben Koalition zu bringen. Konkret soll der
       Untersuchungsausschuss sechs Komplexe unter die Lupe nehmen: den Neubau des
       Landesarchivs NRW in Duisburg, den Erwerb des Vodafone Hochhauses in
       Düsseldorf und des Schlosses Kellenberg bei Jülich, den geplanten Verkauf
       des Landesbehördenhauses in Bonn, den Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums
       Köln-Kalk sowie den geplanten und dann wieder verworfenen neuen Campus der
       Fachhochschule Köln in der Kölner Südstadt.
       
       Untersucht werden soll eine Reihe „kaufmännisch sinnloser Entscheidungen",
       wie es der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Tilman Baumert diplomatisch
       formuliert. Seit 2010 ermittelt seine Behörde wegen des Verdachts der
       Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit gegen inzwischen mehrere Dutzend
       Beschuldigte, darunter den entlassenen BLB-Geschäftsführer Ferdinand
       Tiggemann. Im großen Stil soll er Geschäftsinterna verraten und im Gegenzug
       Schmiergelder kassiert haben, vermuten die Ermittler. Tiggemann bestreitet
       die Vorwürfe. Fakt ist, dass dem BLB von verschiedenen Investoren unter
       mysteriösen Umstanden regelmäßig Grundstücke von privaten Investoren erst
       weggeschnappt wurden und dann mit kräftigen Aufschlägen an den BLB
       weiterverkauft.
       
       Ein Beispiel Fachhochschule Köln: Hier sicherte sich zwischen 2008 und 2009
       die Bauwens-Unternehmensgruppe, deren geschäftsführende Gesellschafter die
       Enkel Konrad Adenauers Paul und Patrick Bauwens-Adenauer sind, ein
       insgesamt 87.000 Quadratmeter großes Areal. Der Kauf mehrerer Grundstücke
       in der Kölner Südstadt war ein lohnendes Geschäft für die Brüder. So erwarb
       die Bauwens-Tochter Gambrinus ein Teil des Geländes der früheren
       Dom-Brauerei für 23 Millionen Euro - und verkaufte es später für 33,4
       Millionen Euro an den BLB.
       
       Insgesamt zahlte der BLB 88 Millionen Euro. Und das, obwohl der Umzug der
       Fachhochschule überhaupt noch nicht beschlossen war - und inzwischen sogar
       längst wieder vom Tisch ist. Ähnliche Ungereimtheiten gibt es auch beim
       Neubau des Landesarchivs NRW im Duisburger Binnenhafen, bei dem die
       Gesamtkosten von ursprünglich kalkuliert 51,7 Millionen Euro auf mehr als
       190,4 Millionen Euro explodiert sind.
       
       Eine der Ursachen: Ohne nachvollziehbare Gründe unterließ es der BLB im
       Frühjahr 2007, die für den Bau benötigten Grundstücke über eine stadteigene
       Duisburger Gesellschaft zu einem Preis von 3,85 Millionen Euro zu erwerben.
       Die Stadt verfügte seinerzeit über entsprechende Vorkaufsrechte.
       Stattdessen ergatterten die Essener Immobilienunternehmer Stephan Kölbl und
       Marcus Kruse die begehrten Flächen, um sie eineinhalb Jahre später für
       einen Gesamtpreis von 29,9 Millionen Euro an den BLB weiterzuverkaufen. Der
       ersten Anlauf, solche Merkwürdigkeiten parlamentarisch aufzuklären,wurden
       im März dieses Jahres beendet, als der Landtag sich überraschend auflöste.
       
       Der BLB-Untersuchungsausschuss wurde im Mai 2011 eingesetzt, bis dahin
       hatte er aber nicht viel zu Wege gebracht: zu komplex die Materie, zu
       umfangreich das Aktenmaterial, zu gering der Aufklärungseifer mancher
       Ausschussmitglieder. Fünf Monate um die Arbeit zu beginnen. Ganze fünf
       Monate benötigte der Ausschuss, um sich überhaupt zu konstituieren. Weitere
       fünf Monate dauerte es, bis die ersten beiden Zeugen vernommen werden
       konnten. Das war's dann auch. Dabei hätte es insbesondere die CDU gerne
       belassen. „Es gibt keine Fraktion, die das Ding noch haben will“,
       jubilierte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Biesenbach,
       der den ersten U-Ausschuss mit wenig Begeisterung geleitet hatte.
       
       Doch Biesenbach hatte die Rechnung ohne die Piratenpartei gemacht. Die
       Parlamentsnewcomer setzten den BLB-Skandal wieder auf die Tagesordnung und
       brachten die anderen Fraktionen damit erfolgreich unter Zugzwang. „Wir sind
       es den Bürgern schuldig, sämtliche Vorgänge lückenlos aufzuklären“, sagte
       Dietmar Schulz, rechtspolitischer Sprecher der Piratenfraktion.
       „Schließlich geht es um Milliarden Steuergelder beim Sondervermögen BLB und
       wir müssen unserem Kontrollauftrag gerecht werden.“
       
       Zum jetzt beschlossenen Untersuchungsauftrag gehört auch, inwieweit die
       Struktur des BLB „die festgestellten Missstände ermöglichen bzw.
       begünstigen konnte“. Ein heikler Punkt für die SPD. Denn der BLB wurde im
       Jahr 2000 unter der Ägide des damaligen SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang
       Clement und seines Finanzministers Peer Steinbrück ins Leben gerufen. Die
       beiden Sozialdemokraten glaubten, die Auskoppelung des gesamten
       Liegenschaftsvermögens vom übrigen Landesvermögen in einen nach
       betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführten Landesbetrieb würde
       jährliche Gewinne von bis zu 40 Millionen Euro in die klamme Landeskasse
       spülen.
       
       Ein fataler Irrtum: Tatsächlich erwirtschaftete der BLB bislang kräftig
       Miese, alleine im Jahr 2010 rund 145 Millionen Euro.
       
       Richtigstellung:
       
       Wir behaupteten nicht und behaupten nicht, dass nur die Bauwens-Gruppe die
       von uns oben beschriebenen Geschäfte mit der BLB gemacht hat. Die BLB hat
       derartige Geschäfte auch mit anderen Unternehmen getätigt. Das Wort
       „regelmäßig“ bezieht sich auf die geschäftliche Praxis der BLB, nicht auf
       die Gruppe Bauwens. Falsch war in unserem Artikel die Behauptung, dass die
       Fa. Gambrinus das Gelände der früheren Dom-Brauerei für 23 Millionen Euro -
       und es noch am selben Tag für 33,4 Millionen Euro an den BLB verkauft hat.
       Es ging dabei um ein Teilgrundstück des Geländes. Dieses wurde erst
       deutlich später an die BLB verkauft, nicht am Tage des Ankaufs.
       
       Die Redaktion, Pascal Beucker
       
       21 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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