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       # taz.de -- Coppola-Film „Twixt“ auf DVD: Vielleicht sind sie Vampire
       
       > Francis Ford Coppola hat einen radikalen Film gemacht, der in einem
       > Zwischenreich von Leben und Tod spielt. Coppola stellt sich auch dem
       > Unfalltod seines Sohnes.
       
   IMG Bild: Der Meister: Francis Ford Coppola.
       
       Sieben Uhren hat der Kirchturm, alle zeigen sie eine unterschiedliche Zeit.
       Das ist aber mitnichten die einzige Seltsamkeit in dem Kaff, dass der
       zweit- bis drittklassige Thrillerautor Hal Baltimore (Val Kilmer) in der
       Absicht besucht, seinen jüngsten Roman in einer Lesung an den Mann und die
       Frau zu bringen. Eine Buchhandlung gibt es hier nicht, die Lesung im
       Hardware-Store fällt mangels Zuhörerschaft leider aus. Nur der Sheriff
       Bobby LaGrange (Bruce Dern) erscheint, erweist sich als Fan und erzählt
       eine Schauergeschichte, die sich vor Jahrzehnten am Ort zutrug. Darüber
       möchte er als Koautor von Hal Baltimore schreiben.
       
       Der hat erst einmal andere Sorgen. Seine Frau bedrängt ihn per Skype, sie
       will Geld und droht seine Erstausgabe von Walt Whitmans „Leaves of Grass“
       zu verkaufen. Baltimore bedrängt seinen Verleger um einen Vorschuss und
       improvisiert über die Kindermord-Story des Sheriffs ein Vampirroman-Exposé.
       
       Schließlich liegt im Leichenschauhaus eine junge Frau mit einem riesigen
       Pfahl in der Brust. „Twixt“ (also: Zwischen) heißt Francis Ford Coppolas
       Film, und in einem Zwischenreich spielt er. Am Ufer des Flusses siedelt
       eine Truppe grell geschminkter, am Feuer tanzender junger Menschen,
       vielleicht aber sind sie Vampire. In einem alten, verfallenen Hotel hat
       einst, sagt eine Tafel, Edgar Allan Poe übernachtet.
       
       Es ist Tag, es wird Nacht, Hal Baltimore träumt oder wacht. Im Dunkeln
       begegnet ihm ein bleiches Zahnspangen-Mädchen (Elle Fanning), das könnte
       Virginia sein, Poes mit 14 Jahren verstorbene Frau, seine Muse, die Heldin
       seiner todesverfallenen Gedichte: Quoth the Raven: Nevermore. Es könnte
       auch Vicky sein, die Tochter, die Hal Baltimore bei einem Unfall verlor.
       Und es ist nicht zuletzt Francis Ford Coppolas erster Sohn Gian-Carlo, der
       wie das Mädchen im Film bei einem Speedbootunfall verstarb.
       
       ## Betwixt and between
       
       In einer der vielen grandios künstlichen Szenen, die Coppola kühn aus
       entfärbten, geschichteten Bildern filmphotoshopt, wird dieser Unfall
       gezeigt, Speedboote rasen in Überblendung im Dunkeln, Baltimore und Edgar
       Allan Poe höchstpersönlich mit seiner gelben Laterne wandern durch finstere
       Märchengebiete, im Hotel ist noch Licht, die Zeit hält den Atem an, die
       toten Kinder springen aus ihrem Grab, der Vampir gleitet auf dem Motorrad
       auf einer Allee durch die Dunkelheit, schlägt seine Zähne in den Hals des
       Zahnspangenmädchens und zitiert später noch Baudelaire. Betwixt and between
       liegt diese Welt, zwischen Hal Baltimore und Poes Nevermore, eine der
       sieben Turmuhren zeigt ganz bestimmt Mitternacht.
       
       „Twixt“ ist ein ganz und gar eigener Film, mit dem Coppola endgültig zu
       einer betörenden Selfmade-Altersradikalität findet. Er hat in Hollywood
       alles gewonnen, dann alles verloren, hat sich auf den Weinbau gestürzt und
       damit ein Vermögen gemacht. Nun dreht er Filme auf eigene Kosten, niemand
       redet ihm rein, seine Obsessionen redet ihm keiner mehr aus.
       
       Der Hang zum Jenseitigen, der im ersten Alterswerk „Youth Without Youth“
       noch mit verquaster Ernsthaftigkeit nervte, erscheint in „Twixt“ vielfach
       gebrochen. Mit Skype-Telefonaten und Splitscreens, mit skurrilen Figuren
       und stummfilmhaft überlebensgroßen Effekten stellt der Film sich aus als
       das Flick- und Flickerwerk, das er ist. Und doch gehen die verschiedensten
       Elemente hier weniger durcheinander als eigentümlich zusammen, es wird aus
       etwas, das mal an Lynch erinnert und dann wieder an Murnau, das aber auch
       in Sekundenschnelle zwischen Alb und Albernheit wechselt, ein Ganzes
       eigener Art. Mit seinem Hollywood-Nachleben ist Coppola selbst nicht mehr
       ganz von dieser Welt, aber auch im Reich der untoten Regisseure ist er
       inzwischen ein Meister.
       
       ## Francis Ford Coppola: ,,Twixt" USA 2012, 89 Min., ab ca. 14 Euro im
       Handel
       
       20 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ekkehard Knörer
       
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