# taz.de -- Chef der Radikalen Partei im Hungerstreik: Italiens ewiger Störenfried
> Marco Pannella ist Enfant terrible der italienischen Politik. Egal ob
> Joint oder Hungerstreik – der 82-Jährige zeigt vollen Einsatz für
> Bürgerrechte.
IMG Bild: Seine Widersacher behaupten, Marco Pannella versüße sich den Hungerstreik mit Cappuccino.
Die Wangen sind eingefallen, das schüttere schlohweiße Haar fällt in langen
Strähnen über den Hemdkragen, doch die Augen blitzen: So sahen die
Italiener in diesen Tagen Marco Pannella, als er den Regierungschef Mario
Monti zur Visite empfing. Im Hunger- und Durststreik ist Pannella seit gut
einer Woche, um auf die dramatische Situation der Gefangenen in den völlig
überfüllten Gefängnissen des Landes aufmerksam zu machen.
Nichts Neues für den 82-Jährigen. Seit bald 50 Jahren ist er Chef der
Radikalen Partei – und ewiger Störenfried, Enfant terrible der
italienischen Politik. Erstmals hungerte Pannella 1969, um den Widerstand
der damals herrschenden Christdemokraten gegen die Verabschiedung des
Scheidungsgesetzes im Parlament zu brechen. Voller, auch körperlicher
Einsatz für die Bürgerrechte, dazu die Wahl unkonventioneller Mittel: Dies
ist Pannellas Markenzeichen.
## Italienischer Gandhi
So steckte er sich bei öffentlichen Happenings auch mal einen Joint an, um
gegen die Drogengesetze zu protestieren. Er fastete, um für ein neues
Wahlrecht oder gegen das seiner Meinung nach über die Radikalen verhängte
Medienembargo zu protestieren. Politische Widersacher beschuldigten ihn
immer wieder, seine Hungerstreiks gestalte er mit dem Genuss von reichlich
Cappuccino erträglich.
Doch obwohl seine Partei selten mehr als ein Prozent der Stimmen gewann,
schaffte Pannella es mit dieser Selbstinszenierung als italienischer
Gandhi, die Radikalen und ihre Ziele im Gespräch zu halten.
Berührungsängste hat Pannella nicht: 1994 verbündete er sich mit Silvio
Berlusconi – einige Jahre später mit der italienischen Linken.
Schon letztes Jahr war er drei Monate im Hungerstreik, um auf die
menschenunwürdige Behandlung der Häftlinge in Italien aufmerksam zu machen.
Fast 70.000 Menschen sitzen in Gefängnissen, die auf maximal 45.000
Insassen ausgelegt sind. Pannella will jetzt eine Amnestie ertrotzen.
Nachdem er in der Nacht auf Mittwoch einen Schwächeanfall erlitten hatte,
stimmte er einer Infusion zu. Ansonsten aber will er weitermachen – und
bloß Mandarinen auslutschen, bis die Öffentlichkeit das Drama in den
Gefängnissen wahrnimmt.
19 Dec 2012
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DIR Michael Braun
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