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       # taz.de -- FDLR-Angriffe in Ruanda: Milizen tragen Krieg in die Heimat
       
       > Die im Kongo ansässige FDLR hat erstmals seit Jahren wieder Angriffe auf
       > ruandischem Gebiet gestartet. „Die Operationen gehen weiter“, sagt die
       > Miliz.
       
   IMG Bild: Kongolesische M23-Rebellen verhaften mutmaßlichen FDLR-Kämpfer bei Kibumba nahe der Grenze zu Ruanda.
       
       GISENYI taz | Fast apathisch liegt Martin Ngirukwayo im Krankenbett im
       ruandischen Gisenyi. Sein Unterschenkel dick verbunden, guckt er ins Leere.
       Dann erst merkt er, dass mit der taz-Journalistin zwei Soldaten der
       ruandischen Armee sein Krankenzimmer betreten haben. Sie grüßen ihn
       höflich, fragen nach seinem Befinden. Der 38-jährige Verletzte nickt und
       bleibt stumm.
       
       Corporal Ngirukwayo ist einer von Ruandas wichtigsten Kriegsgefangenen. Er
       gehört zur im Kongo ansässigen ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische
       Kräfte zur Befreiung Ruandas), Ruandas Staatsfeind Nummer eins. Er ist der
       lebende Beweis, dass die FDLR zum ersten Mal seit Jahren ihren Krieg wieder
       zurück nach Ruanda trägt.
       
       Ngirukwayo wurde am 26. November bei Kämpfen zwischen der FDLR und Ruandas
       Armee in den Virunga-Bergen im Nordwesten Ruandas von einer Kugel ins
       Schienbein getroffen. Seine fliehenden Kameraden ließen ihn sowie zwei Tote
       zurück. Soldaten fanden Ngirukwayo und brachten ihn ins Krankenhaus.
       
       „Es war eine Selbstmordaktion. Ich muss froh sein, dass ich noch am Leben
       bin“, flüstert Ngirukwayo. Seine Unterlippe zittert. „Unser Kommandeur
       sagte, wir werden Ruanda angreifen. Wir wurden hineingeschickt und es gab
       keinen Rückzugsplan.“ Ein Kämpfer habe den Kommandeur gefragt, wie denn ein
       erfolgreicher Rückzug möglich wäre. „Er wurde sofort vor unseren Augen
       standrechtlich erschossen.“
       
       ## Verlegung an die Grenze
       
       Ehemals stationiert in Katoyi, in der Region Masisi in der
       ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, wurde Ngirukwayo im September mit
       seiner Einheit an den Nyamulagira-Vulkan nahe der Grenze zu Ruanda verlegt,
       erzählt er. Es hätten sich 250 FDLR-Kämpfer an den Flanken des Vulkans
       versammelt. Das wurde der taz schon vor Monaten von der FDLR bestätigt,
       auch Ruandas Geheimdienst war alarmiert.
       
       Mitte November, so Ngirukwayo weiter, kam FDLR-Oberst Jean-Baptiste Gakwere
       alias Stany zur Einsatzbesprechung. Ngirukwayos Truppe habe den Befehl
       erhalten, die Frontlinie zu durchqueren, an der sich damals Kongos Armee
       und die Tutsi-geführte Rebellenbewegung M23 gegenüberstanden. Sie sollten
       an der Grenze zu Ruanda den Hügel Mbusasamana besetzen und auf Verstärkung
       warten.
       
       Die Aktion habe geklappt, in der Nacht zum 20. November. Denn da hatten die
       kongolesischen M23-Rebellen bereits ihre Frontlinie durchbrochen, auf dem
       Weg in die nahe Millionenstadt Goma, die sie dann auch einnahmen. Kongos
       Armee war geflohen, die M23 war mit ihrer Offensive beschäftigt, und in
       ihrem Rücken schlichen die FDLR-Einheiten unentdeckt auf Ruanda zu. Am 26.
       November, kurz vor Morgengrauen, griffen sie in Ruanda Armeestellungen an.
       Ruandas Armeesprecher Leutnant General Joseph Nzabamwita bestätigte den
       Angriff.
       
       Am 1. Dezember meldete Ruandas Armee eine zweite Attacke auf ruandischem
       Boden: Dieses Mal auf die Eingangsstation des Virunga-Nationalparks, in
       Kinigi. Der Touristenort mit seiner Luxus-Safari-Lodge gilt als
       Wunsch-Angriffsziel der FDLR in Ruanda. Denn diese Parkstation passieren
       jährlich fast eine Million Touristen, um zum Preis von 750 Dollar pro
       Person die seltenen Berggorillas zu besuchen. Kämpfe dort träfen Ruandas
       Regierung finanziell unmittelbar.
       
       FDLR-Sprecher Laforge Bazaye bestätigt weitere „unveröffentlichte Angriffe“
       und schreibt der taz: „Die Operationen gehen weiter.“ Zur Operation selbst
       will er allerdings nichts sagen. Die vom gefangenen FDLR-Kämpfer Ngirukwayo
       beschriebenen Details „entspringen dessen Fantasie“, behauptet er.
       
       Oberst Stany, FDLR-Vizekommandeur für Nord-Kivu, hatte der taz gegenüber
       bereits im Oktober in einem Interview im kongolesischen Busch verkündet, er
       plane jetzt wieder Operationen gegen Ruandas „Diktatur“. Der Krieg im Kongo
       zwischen M23 und Armee sei für die FDLR ein „Fenster der Möglichkeiten“.
       
       Bis heute, so die Informationen der taz, hocken FDLR-Einheiten an der
       ruandischen Grenze im Urwald. Die Position ist riskant, auch wenn der
       dichte Dschungel im Nationalpark um die Vulkane Deckung bietet. Eingekeilt
       zwischen Ruandas Truppen an der Grenze und M23-Kämpfern im Kongo, ist ein
       Rückzug praktisch unmöglich.
       
       „Unsere Soldaten haben die FDLR zurückgedrängt und jagen sie jetzt“, sagt
       Ruandas Armeesprecher Nzabamwita. Aber UN-Quellen im Kongo melden dieser
       Tage einen massiven Truppenaufbau der FDLR um Goma, was wiederum die M23 zu
       verstärkten Aktivitäten bewegt. Die UN-Mission im Kongo will jetzt ihre
       Blauhelmeinheiten verstärken.
       
       20 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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