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       # taz.de -- Kolumne Männer: Glück für 1,99 Euro bei Aldi
       
       > Mit dem Bier vor dem Fernseher und Fußball gucken. Sind Männer dann
       > wirklich glücklich? Eine Betrachtung des nachhaltigen Glücksgefühls.
       
   IMG Bild: Glückliche Männer: Fußball gucken und dabei Bier trinken.
       
       Es geht doch nichts übers Lesen der Frauenzeitschrift Für Sie. Zumindest um
       herauszufinden, dass man die Für Sie nicht mag. Neulich las ich darin ein
       Interview mit Richard David Precht. Der Sachbuchautor sagte: „Die Anzahl
       der Männer, die mit einem Bier vor dem Fernseher Fußball gucken und einfach
       nur glücklich sind, ist nun wirklich größer als die Anzahl der Frauen bei
       einer vergleichbaren Tätigkeit.“ Als ich das las, nahm meine Gelassenheit
       eine kurze Auszeit.
       
       Precht bezeichnet sich als Philosoph. Was aber unterscheidet seine Aussage
       qualitativ von Sätzen, die verschwitzte Profifußballer erschöpft in
       Reportermikrofone keuchen? Richtig: eine ganze Menge. Denn die Fußballer
       wissen sehr gut, wovon sie reden. Precht hingegen stellt bloße Mutmaßungen
       über anderer Männer Gedankenwelt an. Ich mutmaße, er liegt falsch.
       
       Precht sagt: „Es gibt eine ganz enge Verbindung in unserem Leben zwischen
       Glück und Sinn. Nachhaltiges Glück erreichen wir durch diejenigen Dinge,
       die für uns sinnstiftend sind, also Werte erzeugen.“ Demnach ist
       Biertrinken vorm Fernseher für Männer sinnstiftend. Wie traurig
       
       Bitte verstehen Sie mich richtig: Ich sehe gern fern, ich trinke gern Bier,
       und ich freue mich sehr, dass meine begrenzte Multitaskingfähigkeit
       ausreicht, um beides zugleich zu tun. Aber das Ergebnis ist doch nicht
       Glück, sondern bestenfalls Zufriedenheit über die Abwesenheit von Sorgen
       und äußeren Anforderungen: endlich Ruhe.
       
       ## Was macht eigentlich glücklich?
       
       Entgegen dem Klischee vom selbstzufriedenen Kerl bin ich sicher: Die
       meisten Männer wissen gar nicht, was sie glücklich machen könnte. Um das zu
       erfahren, müssten sie sich reflektieren. Doch das gilt als unmännlich: Ein
       Mann tut, was ein Mann tun muss. Wer aber keine Bedürfnisse spüren oder
       ausdrücken kann, kann nicht glücklich sein.
       
       Voraussetzung fürs Glücksempfinden ist Erkenntnis- und
       Unterscheidungsfähigkeit. Ein Beispiel: Wenn eine schöne Frau an mir
       vorüberläuft und mich anlächelt, ruft eine Stimme in meinem Kopf „Applaus!
       Applaus! Applaus!“ wie Kermit in der Muppet-Show. (Die Stimme raunt mir
       auch etwas zu, aber davon schweige ich wie Beaker in der Muppet-Show.) Dann
       weiß ich: Aha, da freut mich was, aber Glück fühlt sich anders an.
       
       Glück fand ich neulich bei Aldi, für 1,99 Euro pro Bund. Zum ersten Mal in
       meinem Leben kaufte ich Stechpalm-Zweige. Als die Verkäuferin fragte „Watt
       macht man denn mit so watt?“, antwortete ich fröhlich: „Keine Ahnung!“
       Jetzt weiß ich’s: Die Zweige mit ihren knallroten Beeren stellte ich in
       meinem Flur in eine weiße Vase. Siehe da: Zusammen harmoniert es perfekt
       mit dem darüber hängenden Druck eines Mark-Rothko-Gemäldes. Als ich das
       sah, überkam mich circa 36 Sekunden lang ein Glücksgefühl: Da verschönere
       ich mir schlicht durch bewusstes Erleben, ganz ohne Event-Guide, mein
       Leben! Ob das als maskulin gilt: egal!
       
       Zufrieden öffnete ich eine Flasche Bier und sah mir die Zusammenfassung
       eines Bundesligaspiels an. Die Trikots der beiden einander brutal foulenden
       Mannschaften harmonierten aufs Schönste.
       
       19 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Matthias Lohre
   DIR Matthias Lohre
       
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