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       # taz.de -- Berlins S-Bahn: Pleiten, Pech und große Töne
       
       > Bei der S-Bahn kriselt es wieder mächtig. Ihr Chef Peter Buchner aber
       > macht andere verantwortlich.
       
   IMG Bild: Schnee tut der S-Bahn gar nicht gut.
       
       Die S-Bahn ist wieder tief in der Krise: Ausfälle, Verspätungen und so
       wenig Wagen auf der Schiene wie vor einem Jahr, allen Versprechen zum
       Trotz. Doch von Asche-aufs-Haupt-Streuen mag Peter Buchner, Chef der S-Bahn
       GmbH nichts wissen. Schuld sind für ihn die anderen: Der Zuglieferant mit
       seinem Material und der Senat, der keine Planungssicherheit gebe, mit der
       sich neue Züge kaufen ließen. Nach Buchners Logik ist das Land selbst
       schuld daran, dass vorwiegend „alte Gurken“ unterwegs sind, wie er am
       Montagabend auf einer Veranstaltung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus
       sagte.
       
       Buchners Unternehmen, eine hundertprozentige Tochter der Deutsche Bahn AG,
       ist noch bis 2017 unter Vertrag, S-Bahn-Verkehr in Berlin anzubieten. Für
       die Zeit danach hat der Senat im Juni für ein Drittel des Netzes eine
       Ausschreibung gestartet. Wer den Zuschlag bekommt, soll neue Züge bauen,
       weil der jetzige Wagenpark überaltert ist. Gebrauchte Züge nach Berlin zu
       holen geht nicht, weil das hiesige Netz einzigartig ist.
       
       Die S-Bahn habe „drei Baureihen, die aus unterschiedlichen Gründen krank
       sind“, sagt Chef Buchner. Die Ursache der Probleme liege aber nicht bei der
       S-Bahn, sondern bei den Zugherstellern. Die neueste Reihe, die von 1994 bis
       2004 in Betrieb ging, sei mit zu schwachen Rädern und Bremsen geliefert
       worden. Ein Neukauf von Zügen sei „das A und O“. Bis dahin werde man „alles
       tun, um jedes Fahrzeug zu streicheln und in seinem Innersten
       kennenzulernen“.
       
       ## Zuschlag erst Sommer 2014
       
       Mit dem Kauf neuer Züge will das Unternehmen aber noch warten, bis das Land
       darüber entschieden hat, wer den Zuschlag für den Betrieb der S-Bahn
       erhält. Es brauche Gewissheit, ob diese Investition sich auch lohnt,
       argumentierte Buchner. In seiner europaweiten Ausschreibung sucht das Land
       Berlin derzeit ein Unternehmen, das von Dezember 2017 an für 15 Jahre auf
       der Ringbahn sowie der S 8 zwischen Hohen Neuendorf und Königs Wusterhausen
       fährt. Der Zuschlag für den Betreiber wird voraussichtlich im Sommer 2014
       erteilt. Beworben haben sich neben der S-Bahn Berlin GmbH als bisherigem
       Betreiber auch Unternehmen aus Frankreich, China und dem Vereinigten
       Königreich.
       
       Vermehrte Ausfälle der Züge sind auch ab 2015 möglich: Laut Buchner werden
       dann die mechanischen Zugsicherungssperren, die bisher beim Überfahren
       eines roten Signals zur Notbremsung führen, durch elektronische Systeme
       ersetzt – was bedeutet, dass jeder Zug zur aufwendigen Umrüstung in die
       Werkstatt muss und so im Betrieb fehlt.
       
       CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici versteht nicht, warum das
       Bahn-Unternehmen nicht aus eigenem Interesse anders auftritt: „Das ist
       alles keine gute Referenz für die S-Bahn mitten im
       Ausschreibungsverfahren.“ Friederici geht davon aus, dass die nun schon
       fünf fast Jahre währende S-Bahn-Krise weitergeht. Eine Entspannung gebe es
       erst ab 2017, wenn die neuen Fahrzeuge da wären.
       
       Für SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz ist auch das fraglich. Denn 2017 würden
       ja nicht alle benötigten Züge zur Verfügung stehen, sondern nur die ersten.
       Für den Übergang sollen bisherige Wagen weiterfahren, möglicherweise mit
       Sondergenehmigung – jene, die gerade Probleme haben. „Da kann es dann
       richtig eng werden“, sagt Buchholz.
       
       Die alten Wagen vorübergehend weiter zu nutzen, kann zudem teuer werden.
       Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar spricht von 100 Millionen Euro
       zusätzlicher Kosten und verweist dazu auf Angaben der Senatsverwaltung für
       Verkehr, die auf eine parlamentarische Anfrage gemacht wurden. Bei der Bahn
       sieht er Versagen, zum Teil auch bei den politisch Verantwortlichen: Die
       hätten zu lange mit der Ausschreibung gezögert. Davon spricht auch der
       CDU-Abgeordnete Friederici seinen Koalitionspartner SPD nicht frei: Hätte
       der rot-rote Vorgängersenat in der S-Bahn-Krise nicht zwei Jahre ungenutzt
       gelassen, „dann hätten die neuen Züge 2015 da sein können“
       
       STEFAN ALBERTI, SEBASTIAN HEISER
       
       18 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
   DIR Sebastian Heiser
       
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