# taz.de -- Township in Südafrika: Das Wohnheim der Enttäuschten
> Die Hoffnung war groß, als Präsident Zuma gewählt wurde. Heute, fünf
> Jahre später, sind die Bewohner des Mandela-Hauses in Johannesburg
> frustriert.
IMG Bild: Zuma wird wohl so schnell nicht zu ihnen gehören: Die Helden des ANC, Oliver Tambo, Walter Sisilu und Nelson Mandela, auf einem Wandgemälde.
JOHANNESBURG taz | Das Mandela-Wohnheim in Alexandra ist wie eine Insel der
Armen – in einer der ärmsten Townships. Es liegt nahe am Luxusviertel
Sandton mit den teuersten Hotels und Einkaufszentren des Kontinents. Im
Viereck gebaut, ragen rote Ziegelmauern fünf Stockwerke hoch. Aus schmalen
Fensterreihen hängen zerbrochene Glasscheiben und Wäsche.
Winzige Durchgänge zum Innenhof sind mit Müllbergen bedeckt. Uringeruch
steigt aus den Wasserpfützen auf den schlammigen Wegen, Ziegen drängen sich
zwischen Dreck und Autowracks. Ein Taxifahrer in einem himmelblauen Minibus
hält kurz im Durchgang an. Der Fahrer steigt aus, putzt die rote Erde von
den neuen Reifenfelgen und macht sich auf den Weg zur Arbeit.
Der Taxifahrer, Prince Mapomolo, ist einer der wenigen Bewohner in dem Heim
für Wanderarbeiter, die einen Job haben. Die meisten der Menschen in den
etwa 600 Räumen sind arbeitslos und fristen dort seit Jahren ihr Dasein.
Inzwischen wohnen auch Frauen mit ihren Familien in den kargen
Betonzimmern. Aber nichts ist seit dem Bau des Migrantenheims, ehemals für
Minenarbeiter, durch die Apartheidregierung 1971 geschehen.
Obwohl seit 18 Jahren die Apartheid vorbei ist und der ANC regiert. „Der
Winkel dort drüben bricht bald zusammen“, sagt Mapomolo. Er zeigt auf Risse
in den Wänden an einem der Eckflügel des Gebäudes. „Der Gemeinderat kommt
regelmäßig vorbei und verspricht uns etwas, was er nicht hält. Wir sind
hier vergessen worden. Wir haben keine funktionierenden Toiletten, keinen
Strom, nur Gas in Gemeinschaftsküchen.“ Was nicht festsitzt, wird
abmontiert und verkauft. Miete zahlen sie schon lange nicht mehr. „Hätten
wir eine andere Möglichkeit, wir würden hier nicht leben.“
## Die Mehrheit kommt aus KwaZulu-Natal
Dann warnt er, niemand von „außen“ soll sich unangemeldet im Inneren des
Blocks bewegen. „Oft werden in der Gegend Autos geklaut oder Leute
überfallen, und manche Täter verstecken sich dann in dem Gewirr der Gänge“,
sagt er. Mapomolo hat Frau und fünf Kinder, er ist 47, seit 15 Jahren lebt
er im Mandala-Heim. Wie er stammt die Mehrheit im „Hostel“ aus der Provinz
KwaZulu-Natal, Heimatprovinz von Staatspräsident Jacob Zuma. Sie suchten in
Johannesburg, das Afrikaner „Egoli“ nennen, die Stadt des Goldes, nach
einem besseren Leben. Sie sind gestrandet.
Mapomolo hat bereits viermal einen Antrag auf ein kleines Haus auf
Regierungskosten gestellt, wie es der ANC seit seinem Amtsantritt 1994 den
Armen verspricht. Die Wartelisten seien gefälscht, schimpft er. Ausländer
würden sich mit Schmiergeldern vordrängeln, behauptet Mapomolo.
Als vor fünf Jahren Jacob Zuma neuer ANC-Chef wurde – Vorstufe zu seiner
Wahl zum Präsidenten Südafrikas 2009 –, war die Hoffnung im Mandala-Haus
groß. Aber jetzt ist sie der Frustration gewichen. „Der ANC tut nichts für
uns“, sagt Mapomolo. Hat er noch Hoffnung auf einen Umschwung in der
Partei?
„No hope“, sagt er und schüttelt den Kopf. Der ANC habe keine Vision, die
Elite profitiere von der Korruption. Zuma baue sich ein luxuriöses Heim in
seinem Heimatort Nkandla, aber „wir sind machtlos“. Auf dem ANC-Parteitag
diese Woche, meint er, wollten Zumas Anhänger den Status quo retten, damit
auch sie profitieren können.
## Der ANC hat total versagt
Jacks Nbonane stimmt zu. Der 42-jährige gelernte Elektriker schlägt sich
mit Gelegenheitsjobs durch. Damit unterstützt er seine Familie mit neun
Kindern. „Ob Umsholozi (Zumas Stammesname) jetzt wiedergewählt wird oder
Vizepräsident Kgalema Motlanthe – das spielt keine Rolle. Der ANC hat total
versagt.“ Wie schon 1994 seien die Aussagen und Programme der ANC-Führer
gut, meint Nbonane und beißt in seinen grünen Apfel.
„Aber was dann passiert, ist Missbrauch von Macht. Wir brauchen einen
starken Führer – wie Mugabe“, sagt er lachend. Sein Freund Musa Sokhel
grinst und meint: „Alles richtig, aber gib Zuma noch eine letzte Chance für
die nächsten fünf Jahre.“ Es fällt manchen noch schwer, den Präsidenten aus
ihrer Heimat, der sie einst stolz machte, abzutun. Aber er hat sie tief
enttäuscht.
Die Männer und auch Prince Mapomolo haben alle nichts gegen die
Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA). Die in Kapstadt starke größte
südafrikanische Oppositionskraft unter Führung der deutschstämmigen Helen
Zille war bisher für schwarze ANC-Wähler in Südafrika zu weiß, doch es
zeichnet sich hier im Heim ein Wandel ab: Uns ist egal, ob das Weiße sind.
Wir haben in schwarzen Händen bisher gelitten“, ruft Jacks Nbonane.
18 Dec 2012
## AUTOREN
DIR Martina Schwikowski
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