URI: 
       # taz.de -- Rechtliche Gleichstellung: Muslime ohne Geld
       
       > Der Staatsvertrag mit Bremen bringt Muslimen mehr Gleichstellung mit
       > anderen Religionen - außer bei den Finanzen: Islam-VertreterInnen
       > arbeiten weiter ehrenamtlich
       
   IMG Bild: Durch den Staatsvertrag dürfen muslimische SchülerInnen Feiertage wie das Zuckerfest ganz offiziell feiern.
       
       BREMEN taz | Als „Meilenstein zur Gleichstellung des Islam“ bezeichnen die
       Bremer Grünen den Vertrag mit drei islamischen Religionsgemeinschaften, den
       der Senat am Dienstag beschlossen hat. Das sehen die VertreterInnen der
       Bremer Verbände, die den Vertrag mit dem Senat ausgehandelt hatten, ganz
       genau so. Aber eben auch nur als einen Meilenstein auf einem Weg.
       
       Da wäre zum einen die finanzielle Gleichstellung. „Wir machen das immer
       noch alles ehrenamtlich“, sagt Mustafa Yavuz, seit zwei Jahren Vorsitzender
       der Schura Bremen, einem Dachverband von rund 20 islamischen Vereinen. Sein
       Vorgänger Mehmet Kilinc hatte den Vorsitz abgegeben, nachdem er die
       Verhandlungen über den Staatsvertrag eingefädelt hatte – und wegen der
       vielen offiziellen und inoffiziellen Termine keine Zeit mehr hatte, sich um
       sein Unternehmen zu kümmern. Der Sozialpädagoge Yavuz hingegen ist im
       öffentlichen Dienst beschäftigt und vertritt seine Verbandsinteressen in
       der Freizeit.
       
       Während Angestellte der christlichen Kirchen für ein Pressegespräch bezahlt
       werden, trifft sich Yavuz nach Feierabend mit der taz. Er beklagt sich
       nicht, fragt sich aber auch, wie lange er sich und seiner Familie das noch
       zumuten will. Deshalb wird es im nächsten Jahr womöglich wieder einen neuen
       Vorsitzenden geben, kaum dass der jetzige sich eingearbeitet und Kontakte
       geknüpft hat. Dabei wird den Muslimen als Gemeinschaft von ihren
       Verhandlungspartnern in der Politik und öffentlichen Verwaltungen immer
       wieder mangelnde Kontinuität vorgeworfen. Man wisse ja nicht, wer für „die
       Muslime“ spreche, heißt es oft, wenn diese etwas für sich fordern. Einen
       eigenen Religionsunterricht beispielsweise.
       
       Das Problem der fehlenden Finanzierung der Verbandsarbeit ist in Bremen
       nicht unbekannt. Ganz im Gegenteil. In der Senatskanzlei, deren Mitarbeiter
       die Verhandlungen mit Yavuz und seinen MitstreiterInnen geführt haben, ist
       das ein alter Hut. „Zeitnah gelöst“ werden müsse das Problem, hatte Helmut
       Hafner, der Religions-Referent von Bürgermeister Jens Böhrnsen, vor drei
       Jahren auf einer Fachtagung zu dem Thema gesagt.
       
       Doch in den jetzigen Verhandlungen spielte Geld keine Rolle, wie Norbert
       Schlichting, Verhandlungsführer der Senatskanzlei, bestätigt. „Das können
       wir nicht machen, dann müssten wir alle Religionsgemeinschaften finanziell
       unterstützen.“ Ein heikles Argument, da der Staat für die Kirchen Steuern
       erhebt und der jüdischen Gemeinde jedes Jahr 235.000 Euro überweist.
       
       Weil also eine finanzielle Gleichstellung nicht in Sicht ist, ist etwas
       anderes umso wichtiger für die muslimischen Verbände: Die Anerkennung als
       Körperschaften öffentlichen Rechts, womit steuerliche und organisatorische
       Vorteile verbunden sind. Dass sie dies anstreben, haben die muslimischen
       Verbände im Artikel 14 des Bremer Staatsvertrags festgehalten. Gerade erst
       hat das Bundesverwaltungsgericht das Land Hessen verpflichtet, der
       Religionsgemeinschaft der Bahai das Körperschaftsrecht zu verleihen, was
       den Muslimen neue Hoffnung gegeben hat. Allerdings seien die Bahai so
       straff organisiert wie die katholische Kirche und erfüllen damit ein
       wichtiges Kriterium, gibt der Münsteraner Professor für Verwaltungsrecht,
       Janbernd Oebbecke, zu bedenken. Die muslimische Verbandslandschaft hingegen
       sei immer noch sehr zersplittert.
       
       Dass zumindest die Bremer Muslime mittlerweile mit einer Stimme sprechen,
       lässt sich daran erkennen, dass Yavuz nicht allein zu dem Interview mit der
       taz kommt, sondern mit einer Kollegin: Emine Oguz vom Landesverband von
       Ditib für Bremen und Niedersachsen. Die große Organisation, die die
       türkischen Muslime in Deutschland vertritt, hielt sich früher fern von den
       anderen Vereinen und trat oft in Konkurrenz zu diesen auf. „Wir sind eine
       andere Generation“, sagt die 34-jährige Juristin Oguz. Dann muss sie los.
       Vor ihr liegen zweieinhalb Stunden Zugfahrt nach Hause. Freizeitvergnügen.
       
       16 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA