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       # taz.de -- Arbeitskampf bei Neupack: Zuspruch für die Streikenden
       
       > Hunderte Menschen demonstrieren am Hamburger Hauptbahnhof ihre
       > Solidarität mit den Angestellten der Firma Neupack.
       
   IMG Bild: Kämpfen für mehr Geld: Neupack-Angestellte.
       
       Mehr als 1.000 Menschen - die Polizei spricht von 600, die Veranstalter von
       1.500 Teilnehmern - aus Norddeutschland und Berlin haben Samstag auf einer
       Kundgebung der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie und Energie (IG BCE) am
       Hamburger Hauptbahnhof ihre Solidarität mit den Streikenden beim
       Verpackungshersteller Neupack bekundet. Seit sechs Wochen befinden sich die
       rund 200 Beschäftigten in den Werken Hamburg-Stellingen und Rotenburg an
       der Wümme im unbefristeten Erzwingungsstreik für einen Haustarifvertrag.
       
       Zu der Kundgebung auf dem Hachmannplatz war bei strahlendem Sonnenschein
       auch Prominenz aus Politik und Kultur gekommen. So hatten fast alle
       Fraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft und dem niedersächsischen Landtag
       Abgeordnete entsandt. Viele Unterstützer trugen Schilder mit Aufschrift:
       "Für das Grundrecht auf Tarifvertrag - gegen die Ideologie bei Neupack".
       Die Gutzeit-Band hatte eigens zwei Songs auf die Verhältnisse bei Neupack
       umgetextet. Gunther Gabriel trillerte seinen Gassenhauer. "Hey Boss, ich
       brauch mehr Geld".
       
       Firmensprecher Lars Krüger räumt mittlerweile gegenüber den Medien ein,
       dass die Unternehmenspolitik "teilweise auf Kosten der Transparenz im
       Entgeltgeldsystem gegangen ist" und das Unternehmen dies als "Fehler"
       erkannt habe "und viel wichtiger, daraus gelernt" habe. Dennoch weigert
       sich der Familienbetrieb auch nach drei Verhandlungsrunden beharrlich, per
       Tarifvertrag einen Mindestlohn von 8,50 Euro langfristig anzuerkennen und
       das betriebliche System der individuellen Entlohnung nach Sympathie und
       Nasenprämien bei willfährigen Verhaltes aufzugeben. Geschäftsführer sind
       Hajo und Jens Krüger, Miteigner sind Mira und Lars Krüger.
       
       Der Arbeitskampf sei ein Zeichen, "dass Menschen für ihre Würde kämpfen",
       sagte Hamburgs IG BCE-Bezirksleiter Jan Eulen zu den
       Kundgebungsteilnehmern. Dass Menschen nach Gutsherrenart behandelt werden,
       habe nichts mit hanseatischen Kaufmannstum zu tun. "Die Familie Krüger
       steht neben der Gesellschaft, sie verhalten sich nicht wie ehrbare
       Kaufleute," sagte Eulen.
       
       Die Belegschaft kämpfe gegen Hungerlöhne und für Löhne, von denen die
       Familie leben könne, sagte Peter Hausmann, zuständig für Tarifverhandlungen
       im geschäftsführenden Hauptvorstand der IG BCE. Er verstehe nicht, weshalb
       die Krüger-Familie nicht verhandele. "Die IG BCE steht für
       Sozialpartnerschaft und für wirtschaftliche Vernunft", sagte Hausmann. "Wir
       leben aber in der Metropole Hamburg, da kann ein Patriarch nicht so tun,
       als hätte die Gewerkschaft nichts zu sagen".
       
       Erst würden Streikposten mit den Auto angefahren, dann entlassen und gegen
       sie Strafanträge gestellt, weil das Auto beschädigt sei, "das ist
       unglaublich", sagt Hausmann. In der vorigen Woche habe es mehrere Vorfälle
       gegeben, bei denen Streikende verletzt worden seien, als die als
       Streikbrecher eingesetzten polnische Leiharbeiter in Stellingen - zum Teil
       mit Polizeischutz - in den Betrieb gebracht wurden.
       
       Auch Betriebsratschef Murat Günes berichtete, dass "Willkür und Schikanen
       bei Neupack seit 50 Jahren Tradition hätte. "Neu ist nur, dass wir uns
       wehren und nicht mehr verarschen lassen", so Günes. Hamburgs Landes-Chef
       des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Uwe Grund, schlug in dieselbe Kerbe und
       sprach sich eindeutig trotz der Rahmenbedingungen gegen faule Kompromisse
       aus.
       
       Die polnischen Leiharbeiter, die als Streikbrecher missbraucht würden,
       seien nicht die Gegner der Streikenden. "Die polnischen Kollegen brauchen
       das Geld für ihre Familien und werden, wenn sie nicht mehr als
       Streikbrecher gebraucht werden, rücksichtslos vor die Tür gesetzt." Grund
       resümierte, dass es keine Alternative gebe, den Arbeitskampf auf jeden Fall
       fortzusetzen, "bis am Ende ein Tarifvertrag steht."
       
       IG BCE Nord-Landeschef Ralf Becker sprach der Neupack-Belegschaften an
       beiden Standorten seinen "Respekt und Hochachtung" aus. In der Tat gehörte
       ein Streik bislang nicht zum Repertoire gewerkschaftlicher
       Handlungsmöglichkeiten. Die IG BCE sei es gewohnt, Tarifkompromisse am
       Verhandlungstisch auszuloten. Und nun müsse sie den ersten Streik führen,
       der gleich solche Intensität habe. "Wir haben in den Verhandlungen Neupack
       viele Brücken geschlagen, damit die Krügers das Gesicht wahren können - die
       haben sie allesamt selber abgebaut", sagte Becker. "Wer Autos als Waffen
       gegen Streikposten einsetzt, handelt niederträchtig und würdelos".
       
       Der Schauspieler Rolf Becker, der in Hamburg Vorstandsmitglied im
       Fachbereich Medien der Gewerkschaft Ver.di ist, rezitierte auf der
       Kundgebung Texte von Kurt Tucholsky und Berthold Brecht und gab den
       Streikenden mit auf den Weg, dass "gegen den Klassenkampf von oben" auch
       Maßnahmen legitim und notwendig seien, die nicht immer von der herrschenden
       Rechtssprechung abgedeckt seien. Indirekt deutete er an, dass die gesamte
       IG BCE Branche inspiriert werden müsste, in diesem einzigartigen Konflikt
       in Solidaritätsstreiks zu treten oder dass es zu Blockaden des Betriebes
       bis hin zur Betriebsbesetzung gehen müsste.
       
       16 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
   DIR Hamburg
       
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