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       # taz.de -- Melodische Gesangsexperimente: Auf Wiederhören in der Endlosschleife
       
       > Melody Prochet fand sich alleine öde. Ihr neues Musik Projekt Melody's
       > Echo Chamber vereint nun ätherische Klänge und Rock-'n'-Roll-Background.
       
   IMG Bild: Melody's Echo Chamber: Vintage-Gitarren treffen auf elektronische Bubbles.
       
       Ich neige dazu, Songs mit hübschen Akkorden und Arpeggios zu schreiben. Das
       wurde mir bald langweilig“, sagte Melody Prochet kürzlich im Interview mit
       dem US-Musikmagazin Noisevox. Unbedingt wollte die französische Musikerin
       dies ändern, wusste aber lange nicht, wie – bis sie eines Tages die
       australische Psychedelicband Tame Impala auf einer Pariser Bühne sah und
       mit ihnen Licht am Ende des künstlerischen Schaffenstunnels: „Der Klang
       ihrer Gitarre kam direkt aus dem All.“
       
       Verblüfft und neugierig spricht sie nach dem Konzert Gitarrist und
       Bandleader Kevin Parker an, um zu erfahren, wie er denn diesen spacigen
       Sound hinkriegt. Das Neopsychedelic-Wunderkind aus Australien reagierte wie
       ein Fünf-Sterne-Koch, der seine Erfolgsrezepte in einem Schweizer Tresor
       aufbewahrt: Die Bedienungsanleitung rückt er um keinen Preis raus.
       
       Trotzdem schenkt ihm Melody eine selbstgebrannte CD ihres damaligen
       Projekts My Bee’s Garden: ordentlicher Dream-Pop in der Ahnenfolge von
       Broadcast und Stereolab, eben nur ein gutes Stück braver.
       
       ## Das Geheimnis der Weltraumgitarre
       
       Ein paar Tage später verpflichtet ein begeisterter Parker My Bee’s Garden
       als Vorband der Europatour von Tame Impala. Das war 2010. Dem Geheimnis der
       Weltraumgitarre kommt die damals 23-Jährige zunächst kaum näher, allmählich
       wurde aber klar, was ihr fehlte: „Allein bin ich öde“.
       
       Raue, dreckige Klänge hingegen könnten ihrer anmutigen, ätherischen und
       filigranen Stimme zu mehr Glam verhelfen. Aber wie wird man die
       zwölfjährige Ausbildung in klassischem Gesang (und Geige) am Konservatorium
       im heimatlichen Südfrankreich wieder los?
       
       Ihre ersten neuen Kompositionen, die sie während der Tour dem Urteil des
       Meisters mit Rock-’n’-Roll-Background vorlegt, stoßen auf Interesse: Parker
       bringt sich persönlich als Produzent ins Spiel und hilft ihr, „alles zu
       zertrümmern und wieder neu aufzubauen“. Wie komplementäre Gegensätze hätten
       sie an Melodys neuem Projekt mit dem Namen „Melody’s Echo Chamber“
       gearbeitet.
       
       Das hört man dem gleichnamigen, gerade erschienenen Album deutlich an.
       Übersteuerte Drums und Vintage-Gitarren treffen virtuos auf elektronische
       Bubbles vor gespenstischem Synthie-Teppich. Fast schon karikaturesk bedient
       sich so mancher Song von Melody Brochet der psychedelischen Klischees: „Is
       That What You Said“ läuft rückwärts, „Be Proud Of Your Kids“ wird von der
       rauschenden Aufnahme eines schnatternden Nachbarkindes begleitet und auf
       hypnotische Hippie-Zymbale muss man auch nicht lange warten.
       
       ## Musikalisches Aufklapp-Bilderbuch
       
       Dennoch überzeugen Melodys Gesangsexperimente: Mal singt sie anschmiegsam
       balladenartig, mal entgegen ihrer eigenen Melodie gekonnt dissonant. Voll
       wechselnder Stimmungen, Klangfarben und Empfindungen entwickelt sich
       Melodys Hallraum von Lied zu Lied zu einer Art musikalischem
       Aufklapp-Bilderbuch.
       
       Alles fließt ineinander, und kaum verflüchtigen sich die letzten Töne des
       Albums, hat man Lust, beim Hören wieder von vorne zu beginnen. In der
       Endlosschleife fühlt sich das Album an, als würde man mühelos von der
       perfekten, schier unendlichen Welle vorwärtsgetrieben.
       
       Diese Leichtigkeit verdankt das Album der australischen Westküste, wo sie
       in der entspannten Atmosphäre von Parkers spärlich eingerichtetem Tonstudio
       entstand: „Kevin ist der faulste Produzent der Welt, nur ein Song pro Tag,
       dann spielt er an seinem Oszilloskop herum oder trifft sich mit Kumpels“,
       so Melody. Das sei eine segensreiche Abwechslung zu den überteuerten
       Aufnahmestudios in Paris, wo alles schnell erledigt werden muss und sich
       der Spaß an der Sache ebenso rasch verflüchtigt.
       
       Vom neuen Do-it-youself-Verfahren begeistert, hat Melody nun selbst alle
       ihre Lyrics im heimischen Familienhaus an der Côte d’Azur eingespielt. Es
       half natürlich, dass ihr Parker schließlich doch noch ein paar seiner
       schattigen Aufnahmetricks mit auf den Weg gegeben hat, deren Geheimnis sie
       aber mit niemandem teilen darf.
       
       ## Melody's Echo Chamber: „Melody's Echo Chamber“. Label: Fat
       Possum/Domino. Seit Oktober 2012 im Handel.
       
       14 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Elise Graton
       
       ## TAGS
       
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