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       # taz.de -- Streit über Einsatz gegen rechts: „Nazis agieren frei wie lange nicht“
       
       > Opposition wirft Senat fehlende Strategie gegen rechte Gewalt vor.
       > Initiativen beklagen die „Verheimlichung“ von Neonazi-Aufmärschen durch
       > die Polizei.
       
   IMG Bild: Soll's schwer gemacht werden: Neonazis auf einer NPD-Kundgebung in Neukölln.
       
       Nach einer Reihe rechtsextremer Übergriffe in den vergangenen Monaten warf
       die Opposition Senat und Polizei am Montag vor, zu wenig gegen rechte
       Gewalt zu tun.
       
       „Von Verfolgungsdruck ist überhaupt nichts zu spüren“, klagte der Grüne
       Dirk Behrendt im Innenausschuss. Er verwies auf Nordrhein-Westfalen, wo im
       August drei Kameradschaften verboten wurden. „In Berlin können Neonazis
       dagegen so frei agieren wie lange nicht.“ Linken-Fraktionschef Udo Wolf
       kritisierte, dem Senat fehle ein Konzept gegen konspirativ organisierte
       Neonazis. „Der Eindruck ist: Hier wird nicht der gleiche Druck gemacht wie
       anderswo.“
       
       Anfang Oktober waren mehrere Berliner Parteibüros, Vereinshäuser und ein
       Asylbewerberheim mit rechtsextremen Symbolen und Parolen besprüht worden.
       Insgesamt 25 Straftaten zählte die Polizei. Vizepolizeipräsidentin
       Margarete Koppers räumte am Montag ein, noch keine Tatverdächtigen
       ermittelt zu haben. Für Hinweise wurde ein Belohnung von 5.000 Euro
       ausgelobt.
       
       Einen Hinweis hinterließen allerdings die Täter selbst: An sieben Tatorten
       prangte das Kürzel „NW Berlin“, für das rechtsextreme Netzwerk des
       „Nationalen Widerstands“. Mehrere Politiker und Initiativen hatten jüngst
       in der taz ein Verbot der Gruppe gefordert, hinter dem sich ein Kern von
       rund 15 Neonazis verbergen soll. Koppers bestätigte Ermittlungen in diese
       Richtung. Für ein Verbot müssten aber einem festen Personenkreis konkrete
       Straftaten nachgewiesen werden. „Dafür reicht es noch nicht.“
       
       Auch Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) verteidigte sein Vorgehen: Die
       Bekämpfung rechter Gewalt sei ein Schwerpunkt von Rot-Schwarz. „Wir sind
       wachsam.“ Krömer verwies auf eine eigens eingerichtete Ermittlergruppe beim
       LKA und die neu geschaffene Abteilung Rechtsextremismus im
       Verfassungsschutz. Zudem würden gefährdete Objekte wie das Haus des
       SPD-nahen Jugendvereins Falken in Britz nun durch Beamte geschützt. „Aber
       auch mit intensivsten Vorkehrungen wird es nicht gelingen, alle Straftaten
       zu verhindern.“
       
       Die Opposition warf den Sicherheitsbehörden aber auch eine
       „Geheimhaltungstaktik“ bei rechten Aufzüge vor. Gleiches hatte auch das
       „Bündnis Neukölln“, ein Verbund aus Vereinen, Gewerkschaften und Kirchen,
       jüngst in einem offenen Brief an Innensenator Frank Henkel (CDU)
       kritisiert. Als im November drei Einrichtungen über Neonazis informiert
       hätten, so das Bündnis, sei die NPD überraschend mit Gegenkundgebungen
       aufgetaucht. Eine Vorwarnung durch die Polizei habe es nicht gegeben,
       obwohl eine der Einrichtungen das Haus der Falken war, das 2011 zweimal mit
       Brandsätzen attackiert worden war. Mit solcher „Verheimlichung“ werde
       „zivilgesellschaftlicher Protest sabotiert“ und Rechtsextremismus
       verharmlost, heißt es in dem Brief. Auch die Grünen hatten jüngst von
       Innensenator Henkel gefordert, rechte Aufmärsche von sich aus anzukündigen
       – andernfalls werde man täglich Anfragen stellen.
       
       Koppers räumte ein, dass zumindest das Haus der Falken hätte informiert
       werden müssen. Sie wolle überprüfen, warum dies unterlassen wurde. Ihre
       Informationspolitik aber verteidigte Koppers: „Die Polizei wird
       rechtsextreme Veranstaltungen nicht bewerben.“ Auf Nachfrage würden
       Journalisten und Abgeordnete aber darüber informiert.
       
       Pirat Oliver Höfinghoff nannte die Polizeiarbeit dennoch eine „Strategie
       des geringsten Aufwands“. Er verwies auf einen Vorfall Anfang November: Da
       sei ein Fraktionsmitarbeiter, nach einer Aktion für in der Stadt
       protestierende Flüchtlinge, von einem Unbekannten mit einem Faustschlag und
       den Worten "Kümmer' dich nicht um die Kanacken" angegriffen worden. Die
       Polizei habe dem Mitarbeiter darauf geraten, aus Berlin wegzuziehen, wenn
       er sich um seine Sicherheit sorge. Koppers zeigte sich über die Schilderung
       überrascht. Sie wolle dem nachgehen. "Das klingt, als wäre es nicht korrekt
       gewesen."
       
       10 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
   DIR Asylsuchende
       
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