# taz.de -- Kommentar SPD-Parteitag: Die Mittelschichtspartei
> Die SPD sieht sich als Mittelschichtspartei. Die „Abgehängten“ hat sie
> dadurch jedoch verloren. Da hilft auch langer Beifall nichts.
IMG Bild: Die SPD will für Deutschland da sein. Dabei deckt sie nicht einmal ihr eigenes Klientel ab.
Peer Steinbrück müsse die „wichtigste Rede seines Lebens“ halten, hieß es
im Vorfeld des SPD-Parteitags, auch er selbst zeigte sich davon überzeugt.
Worum ging es? Um die Frage, ob er längeren Beifall bekommen würde als
Angela Merkel bei der CDU und bei seiner Wahl zum Kanzlerkandidaten ein
vergleichbares gutes Ergebnis wie sie.
Und niemand lacht, wenn es heißt, ein ehemaliger Bundesfinanzminister und
Ministerpräsident habe niemals eine wichtigere Rede halten müssen?
Deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass man die Bedeutung politischer
Vorgänge nur daran misst, wie geglückt die Inszenierung ist.
Um eine einfache Mehrheit musste Steinbrück in Hannover nämlich nicht mehr
kämpfen, die stand fest. Hätte die SPD-Basis das Selbstbewusstsein, über
ein Diktum aus dem Hinterzimmer ergebnisoffen zu diskutieren – sie wäre in
einer anderen Verfassung.
Aber da die Lage der Partei so ist, wie sie eben ist, wollten die
Delegierten vor allem den Kandidaten feiern. Sie applaudierten sogar dann,
wenn er Unfug redete: Die SPD sei es dem Land schuldig, einen
sozialdemokratischen Kanzler zu stellen. Die Frage, wer den Kanzler stellt,
hat aber mit Pflicht und Schuldigkeit nichts zu tun. Sondern mit dem
Ausgang von Wahlen.
## Berührung mit der Armut
Dem Mantra, Wahlen könnten nur in der Mittelschicht gewonnen werden,
entspricht die merkwürdige Überzeugung, die Zugehörigkeit zu dieser Schicht
sei der Normalfall und Armut eine betrübliche Panne des Systems. Als ob es
angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung nicht gute Gründe gäbe, sich
auf einiges von dem zu besinnen, was früher auch die SPD über
Klassengegensätze gewusst hat.
Steinbrück hat über die steigende Zahl derer gesprochen, die sich
„abgehängt“ fühlen, und betont, dass „wir“ – gemeint waren Sozialdemokraten
– mit denen durchaus „in Berührung kommen“. Eine aufschlussreiche
Formulierung. Früher kam die SPD mit solchen Leuten nicht nur in Berührung.
Sie hat sie vertreten.
Das Sinken der Wahlbeteiligung ist ja kein naturgegebenes Schicksal.
Sondern darauf zurückzuführen, dass viele, die nicht zur Mittelschicht
gehören, glauben, es mache für sie keinen Unterschied, wer regiere. Solange
es der SPD nicht gelingt, diese Wählerinnen und Wähler vom Gegenteil zu
überzeugen, spielt es keine Rolle, wie lang der Beifall dauert, den
wechselnde Kandidaten auf Parteitagen bekommen.
9 Dec 2012
## AUTOREN
DIR Bettina Gaus
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