URI: 
       # taz.de -- Migrantenfamilie wieder vereint: Landtag korrigiert Schünemann
       
       > Acht Jahre nach ihrer Abschiebung in die Türkei darf die Kurdin Gazale
       > Salame nach Niedersachsen zurückkehren.
       
   IMG Bild: Warten seit acht Jahren auf Mutter und Geschwister: Ahmed Siala und seine Töchter.
       
       HANNOVER taz | Der niedersächsische Landtag hat sich am Freitag einstimmig
       für eine Rückkehr der vor fast acht Jahren aus Niedersachsen abgeschobenen
       Gazale Salame ausgesprochen. Damit haben die Regierungsfraktionen CDU und
       FDP in der letzten Plenarsitzung vor der Landtagswahl im Januar eine
       Kehrtwende hingelegt – und einen der größten Kritikpunkte an der
       schwarz-gelben Innenpolitik in Niedersachsen abgeräumt.
       
       Am deutlichsten wurde der FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen: Dass die
       Kurdin 2005 schwanger mit ihrer einjährigen Tochter in die Türkei
       abgeschoben wurde, während ihr Mann die beiden älteren Töchter zur Schule
       brachte, empfinde er als „Fehler“, sagt er. „Eine schwangere Frau schiebt
       man nicht ab.“ Auch der CDU-Innenpolitiker Fritz Güntzler betonte, er sehe
       „die Not der Mutter und ihrer vier Kinder“. Sie sind seit der Abschiebung
       getrennt, die beiden älteren Töchter leben mit dem Vater bis heute in
       Hildesheim. Nun sei das „gemeinsame Ziel, die Trennung zu beenden“.
       
       Möglich werden soll das nach dem Willen von Schwarz-Gelb über das
       Bleiberecht für sogenannte gut integrierte Jugendliche: Das soll die
       älteste Tochter erhalten. Daran gekoppelt kann auch Salame eine
       Aufenthaltsgenehmigung beantragen, sofern sie sich ohne Sozialleistungen
       finanzieren kann. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung hat ein
       Unterstützerkreis aus Politikern, Kirchenleuten und Bürgern bereits
       zugesagt, der gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat Niedersachsen seit Jahren
       für Salames Rückkehr kämpft.
       
       ## Vertrauen von Seiten der Opposition
       
       Die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken stimmten dieser Lösung am Freitag
       zu. Sie hatten ursprünglich in dem von ihnen eingebrachten Antrag eine
       Rückkehrmöglichkeit gefordert, die an weniger Bedingungen geknüpft ist: Sie
       wollten, dass sich die Landesregierung ähnlich wie 2011 im Fall der
       vietnamesischen Familie Nguyen für eine Rückkehr aus humanitären Gründen
       einsetzt.
       
       Die Nguyens waren damals bis auf die älteste Tochter von Innenminister Uwe
       Schünemann (CDU) erst abgeschoben und nach großen Protesten wenige Wochen
       später zurückgeholt worden. Das wollen CDU und FDP im Fall Salame nicht
       wiederholen: Zur Abstimmung hatten sie eine abgeschwächte Version des
       Oppositions-Antrags vorgelegt. „Der lässt zwar alles offen“, sagte die
       SPD-Abgeordnete Jutta Rübke, „aber wir vertrauen auf Sie.“
       
       Nicht anwesend war bei der Debatte unterdessen Schünemann selbst, der
       Salames Abschiebung stets verteidigt hat. Die Familie könne schnell vereint
       sein – wenn Vater und Töchter in die Türkei ausreisten, so eines seiner
       Argumente. Am Freitag aber wurde Schünemann wegen der
       Innenministerkonferenz in Rostock im Landtag von Integrationsminister Aygül
       Özkan (CDU) vertreten. Die versicherte, die Landesregierung werde den
       vorgeschlagenen Weg „begleiten“. Zugleich betonte sie mehrfach, für einen
       dauerhaften Aufenthalt brauche Salame eine „eigene Perspektive und Existenz
       hier in Niedersachsen“. „Gefordert“ seien nun Salame und ihr Mann ebenso
       wie ihre Unterstützer, erklärte Özkan.
       
       Ministerpräsident David McAllister (CDU), von dem sich die Opposition ein
       klares Bekenntnis zur Rückkehr Salames erhofft hatte, äußerte sich indes
       nicht. Der Regierungschef, so heißt es, will den seit Jahren bis weit in
       die CDU hinein umstrittenen Fall vom Tisch haben. Und die Familie noch vor
       Weihnachten – und der heißen Wahlkampfphase – vereint im Land wissen.
       
       7 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Teresa Havlicek
       
       ## TAGS
       
   DIR Abschiebung
   DIR Schünemann
   DIR Kurden
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Abschiebung
   DIR Flüchtlinge
   DIR Asylpolitik
   DIR Abschiebung
   DIR NPD-Verbot
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Mehr Sicherheit für Flüchtlinge: Niedersachsen will weniger Abschiebungen
       
       Rot-Grün zementiert den Kurswechsel: Innenminister Pistorius verbietet das
       Auseinanderreißen von Familien und nächtliche Abschiebungen.
       
   DIR Aufenthaltsrecht: Bleiberecht abgelehnt
       
       Ahmed Siala, Ehemann von Gazale Salame, ist mit seiner Klage für ein
       dauerhaftes Aufenthaltsrecht vor dem Verwaltungsgericht in Hannover
       gescheitert.
       
   DIR Abgeschobene Gazale Salame: Rückkehr nach acht Jahren
       
       Ihr Fall galt lange als Ausdruck inhumaner Flüchtlingspolitik. Jetzt konnte
       die Kurdin endlich wieder mit ihrer Familie in Niedersachsen
       zusammenkommen.
       
   DIR Abgeschobene Kurden-Familie: Noch kein Visum erteilt
       
       Längst sollte die abgeschobene kurdische Familie Salame wieder in
       Niedersachsen sein. Doch die Behörden verzögern ihre Einreise.
       
   DIR Flüchtlings-Politik: Neue Regierung, neues Spiel
       
       Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert von der künftigen Landesregierung
       mehr Zuwendung zu Flüchtlingen und Ausländern.
       
   DIR Abschiebung: Drei Jahre ihres Lebens
       
       Sie hatten ein Bleiberecht. Nun muss Familie Aktas trotzdem in die Türkei -
       sie war zu lange gegen ihren Willen dort.
       
   DIR Länder-Innenminister einig: NPD soll verboten werden
       
       Die Länder geben den Startschuss für ein zweites Verbotsverfahren gegen die
       rechtsextreme NPD. Bundesinnenminister Friedrich sagt weder Ja noch Nein.
       
   DIR Kommentar: über Niedersachsens CDU und die Kirchen: Auf der Suche nach dem C
       
       Ihre kirchliche Anhängerschaft unmgarnt Niedersachsens CDU mit ein bisschen
       Menschlichkeit. Mehr als ein willkomener Nebeneffkt dürfte sein, dass sie
       damit der FDP Gelegenheit zur Profilierung gibt.
       
   DIR AUSLÄNDERPOLITIK: Mit Gnade in die Weihnachtszeit
       
       Vor der Niedersachsen-Wahl gibt es Bewegung im Fall Gazale Salame: Der
       Landtag wird sich aller Voraussicht nach für eine Rückkehr Salames acht
       Jahre nach der umstrittenen Abschiebung aussprechen
       
   DIR Integration in Niedersachsen: Störenfried Schünemann
       
       Niedersachsens Grüne sehen die schwarz-gelbe Regierung im Verhältnis zu
       Muslim-Verbänden auf "Schlingerkurs", vor allem wegen des Innenministers.