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       # taz.de -- Kommentar Protest in Ägypten: Schmerzhafte Hegemonie
       
       > Auch wenn es wehtut: Die ägyptische Opposition muss Demokratie ernst
       > nehmen und lernen, sich gegebenfalls den Mehrheiten anzupassen.
       
       Reden von Staatsoberhäuptern können in Zeiten des Aufruhrs einer
       Bevölkerung die emotionalen Wogen glätten und die Menschen zusammenführen.
       Die Rede von Präsident Mursi hat diese Qualität vermissen lassen. Die
       erhofften solidarischen Signale an die Opposition – sie kamen nicht.
       Stattdessen war die Rede ein Mittel, um Zeit zu schinden bis zum geplanten
       Referendum über die neue Verfassung Mitte Dezember.
       
       Die Muslimbrüder wollen die Gunst der Stunde nutzen, um zwar keinen
       Gottesstaat nach iranischem Vorbild, aber eine „islamische Demokratie“ zu
       verabschieden. Dass Demokratie eben auch die Hegemonie der Mehrheit
       bedeuten kann, erleben die säkularen Kräfte derzeit schmerzhaft.
       
       Es war abzusehen und zeigt sich jetzt deutlich, dass Ägyptens neues
       politisches System zwar eine Demokratie mit freien Wahlen, Versammlungs-
       und Medienfreiheit werden kann, dass sie aber nicht lupenrein säkular
       werden würde. Um ehrlich zu sein: auch westliche Demokratien haben dafür
       Jahrhunderte gebraucht: die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau
       beispielsweise erfolgte erst mehr als hundert Jahre nach der amerikanischen
       Verfassungsgebung.
       
       Und hier kommt die Verantwortung der Opposition ins Spiel. Die jetzt
       vorgestellte Konstitution hat sicher religiöse Makel, aber sie findet wohl
       eine Mehrheit in der vielfach konservativen Bevölkerung Ägyptens. Die
       Opposition muss zwar auf Wahlen, Gewaltenteilung und Freiheitsrechte
       pochen, zugleich aber die islamistische Mehrheit respektieren.
       
       Als man im September die umstrittene Auflösung des islamistisch dominierten
       Parlaments durch die Justiz bejubelte, folgte die Opposition selbst
       antidemokatischen Reflexen. Ebenso ist Gewalt gegen Büros der Muslimbrüder
       zu verurteilen. Auch die Opposition versäumt es, Signale zu setzen.
       
       7 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai Hafez
       
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