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       # taz.de -- Migranten im öffentlichen Dienst: „Aktives Marketing betreiben“
       
       > Unter Migranten gibt es noch erhebliche Vorbehalte gegen Jobs in der
       > Verwaltung, sagt Experte Alfred Reichwein. Kommunen sollten daher gezielt
       > werben.
       
   IMG Bild: Das Klischee vom Aktenschleppen hält viele Migranten von einer Beamtenlaufbahn ab
       
       taz: Herr Reichwein, beim Anteil von Beschäftigten mit
       Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst liegt Deutschland laut OECD
       weit hinten. Haben Sie dafür eine Erklärung? 
       
       Alfred Reichwein: Nein, aber man muss die Zahlen differenzieren. Wenn es in
       Krankenhäusern, Pflegeheimen und in der Abfallwirtschaft viele Beschäftigte
       mit Migrationshintergrund gibt, treibt das die Quote hoch. Aussagekräftiger
       ist, wie viele davon sich im gehobenen oder im höheren Dienst finden.
       
       Ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund Ausweis
       interkultureller Kompetenz? 
       
       Nein, dazu gehört auch, wie die Verwaltung mit ihren Kundinnen und Kunden
       umgeht. Gibt es zum Beispiel eine spezielle Beratung für türkische
       Familien, die Probleme mit der Erziehung ihrer Kinder haben, wie sieht es
       im Sport- und Kulturbereich aus? Die Politik verengt diese Fragen gerne auf
       die griffige Zahlen.
       
       Polizistinnen oder Lehrer mit Migrationshintergrund haben Vorbildfunktion.
       Wieso stiegt ihre Zahl dennoch kaum? 
       
       Es gibt eine Reihe von Kommunen wie Duisburg, Bremen oder Stuttgart, die
       sich gezielt um junge Menschen mit Migrationshintergrund bemühen.
       Allerdings wurde im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren eher Personal
       abgebaut. Hätten wir hier eine Expansion erlebt wie in den 60ern und 70er
       Jahren, dann wären wir in diesem Bereich sicher schon viel weiter.
       
       Gibt es zu wenig qualifizierte Bewerber? Oder fehlt zu vielen der deutsche
       Pass? 
       
       Das ist nicht das Problem. Untersuchungen zeigen aber, dass es bei der
       Zielgruppe zum Teil erhebliche Vorbehalte gegenüber dem öffentlichen Dienst
       gibt. In vielen Familien herrscht die Vorstellung vor, das sei nur etwas
       für Deutsche oder man müsse da bloß Akten hin und her schleppen. Deshalb
       setzen Städte wie München auf eine offensive Informationspolitik. Man muss
       aktives Marketing betreiben – raus aus den Amtsstuben gehen und dahin
       gehen, wo diese Jugendlichen sind, in ihre Medien und in den öffentlichen
       Raum.
       
       Gibt es noch Vorbehalte in den Behörden gegen Migranten? 
       
       Es gibt starke regionale Unterschiede, was die Nachfrage angeht. Aber die
       meisten haben inzwischen erkannt, dass sich die Gesellschaft verändert hat
       und dass man sich durch eine offensive liberale Personalpolitik oder
       kulturneutrale Eingangstests darauf einstellen muss. Solche Bücher wie die
       von Heinz Buschkowsky, der alle Städte über einen Kamm schert, sind deshalb
       ein Ärgernis für alle, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen.
       
       Können anonyme Bewerbungsverfahren die Chancen von Menschen mit
       Migrationshintergrund verbessern? 
       
       Ich bin mir da unsicher. Die Stadt Celle etwa hat damit wohl ganz gute
       Erfahrungen gemacht. Aber wenn ich den Anteil von Beschäftigten mit
       Migrationshintergrund gezielt steigern will, dann darf ich diesen Aspekt
       eigentlich nicht ausblenden.
       
       4 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
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