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       # taz.de -- CDU vor dem Parteitag: C wie Crazy
       
       > CDU und CSU wollen die Mitte der Gesellschaft erobern. Aber wie soll das
       > funktionieren mit diesem schrägen, randständigen, abgefahrenen Personal?
       
   IMG Bild: Voll Crazy: So jung und schon in der Union...
       
       BERLIN taz | Solche Chaos-Tage hat Hannover schon lange nicht mehr gesehen:
       In der nächsten Woche treffen sich dort die Punks und Freaks der CDU.
       „Parteitag“ heißt das Treffen offiziell – und ganz brav. Aber es wird ein
       Treffen der Randständigen werden – und man wird abseitige Themen behandeln,
       zum Beispiel soll das Ehegattensplitting für Homosexuelle verhindert
       werden.
       
       Orchideen-Themen sind das, mit denen man in der bürgerlichen Mitte der
       deutschen Gesellschaft niemanden mehr hinter dem Bulthaup-Herd hervorholt.
       Gleiche Rechte für Minderheiten, Frauenquote, Euro-Bonds – alles längst
       langweiliger, berechenbarer Standard in den modernen urbanen Milieus, von
       denen sich die angeschrägte CDU auch aufgrund ihrer total queeren
       ProtagonistInnen bislang stets erfolgreich abzugrenzen vermochte.
       
       Das C in CDU, es steht längst für „Crazy“ und nicht mehr für „Christlich“.
       Fuck the Mainstream. Zum Beispiel Ursula von der Leyen, Bundesministerin
       für Arbeit und Soziales. Die Frau, deren einst irrtümlich dem Zeitgeist
       angepasste Föhnfrisur sich fast unmerklich, dafür aber beständig zum
       Amish-Original-Stil zurückentwickelt. In Wahrheit ist die Frau ja ein
       Hippie. Bei sieben Kindern stünde eigentlich längst die Fürsorge auf der
       Matte, um mal nach dem Rechten zu schauen – in einen Volvo-Kombi passt
       diese Schar jedenfalls nicht.
       
       Allerdings müsste man bei Frau von der Leyen schon über sehr viel Kies
       fahren, bis man endlich an der Haustür ist – und dann öffnet doch wieder
       nur die Nanny. KiTa? Nein, Frau von der Leyen ist ganz bestimmt keine
       Macchiato-Mutter, die an der Rhabarbersaft-Schorle nuckelt. Mit der raucht
       man keine auf dem Spielplatz.
       
       ## Klima-Askese? Nein Danke!
       
       Oder, hey: Peter Altmaier! Was für ein Typ. Setzt einfach die Schwerkraft
       außer Kraft. Mögen andere über die Liebe schwafeln, die alles irgendwie
       zusammenhält und überhaupt, er nicht. Wohnt in einer düster
       deckengetäfelten Megawohnung in der Nähe des Berliner Ku’damms und schlurft
       dort abends ganz alleine in Pantoffeln rum, rückt geblümte Kissen zurecht –
       während man in der Mitte der Gesellschaft überall Wände rausreißt, riesige
       Toskana-Tische ins Zentrum des Geschehens rammt, drumherum eine
       Patchwork-Familie drapiert.
       
       Brettert Altmaier mit einer Riesen-Limo über die Autobahn, stopft er an
       jeder Raststätte Schnitzel mit Rahmsoße in sich hinein, anstatt wie alle
       anderen auch bis zum nächsten japanischen Restaurant zu warten.
       Nihilistische Maßlosigkeit statt neubürgerlicher Klimawandel-Askese – es
       ist, als ob Heinz Erhardt plötzlich eine Live-Sendung bei ZDFneo hätte.
       
       Übertroffen werden die beiden nur noch von den Has-Beens im Wartestand. Da
       wäre zum einen Karl Theodor von und zu aber ohne Dr. Guttenberg. Smoke on
       the Water. Potzblitz, solche Jungs gibt’s wirklich nur bei der CSU. Joschka
       Fischer hat Polizisten verprügelt, Rudolf Scharping hat peinliche
       Pool-Bilder von sich machen lassen, Cem Özdemir Flugmeilen – aber wie
       langweilig ist das alles im Vergleich zur Performance des Schummelbarons?
       
       Im Gegensatz zu den angepassten Karrieristen aus der neuen deutschen
       Mittelschicht, die sich durch die weiten Ebenen der Reformunis quälen
       mussten und damit beschäftigt waren, ihr Leben in eine Biografie zu
       verwandeln, war er einfach immer schon wer. Und einer wie er war immer
       schon zu leichtfüßig unterwegs, um mühsam die Karriereleiter
       hinaufzukraxeln. Hat man so jemanden im Freundeskreis? Nein, solche Leute
       nimmt man höchstens in Anspruch, wenn man unangenehmerweise einen
       Immobilienmakler benötigt. Ein Beruf, der zur Frisur passt.
       
       ## Schrill, schriller, Wulff
       
       Und dann Christian. Christian Wulff. Er hat es ja versucht, also das mit
       der Mitte der Gesellschaft. Endlich so sein, wie die modernen, urbanen
       Bürger: Zwar einerseits aggressiv auf die eigenen Interessen bedacht,
       insgeheim ganz schön konservativ, dafür aber total groovy drauf. Lauter
       coole Leute, die irgendwie ähnliche Wohnzimmereinrichtungen haben, die
       gleiche Musik hören und mindesten fünf verschiedene Sorten Olivenöl in der
       Küche haben. Aber Christian Wulff wäre ja nicht in der CDU, wenn er es
       nicht doch wieder etwas schriller getrieben hätte. Malle. Carsten
       Maschmeyer. Vroni Ferres … Richtig gewesen wäre: Thailand, coole
       Internetunternehmer, Charlotte Roche, Heike Makatsch vielleicht.
       
       Nein, Christian Wulff ist nicht Mainstream – oder würde sich irgend jemand
       aus den wirklich tonangebenden Milieus trauen, eine solche Klinkerhütte
       abzustottern? Da wäre man ja gesellschaftlich total erledigt. Nein, mit
       solchen Leuten umgibt man sich nur, wenn es nicht anders geht: Etwa, wenn
       sie, leider, zur Familie gehören. Wenn man Glück hat, haben sie wenigstens
       ein paar gute lebensweltliche Tipps am Start, während man irgendwo zusammen
       bei einer Beerdigung sitzt. Zum Beispiel wo man was abgreifen oder sparen
       kann.
       
       Nein, die CDU ist wirklich nicht Mainstream. Man hätte nie etwas mit diesen
       verrückten Punks zu tun, wenn sie nicht zufällig an der Regierung wären.
       Außer vielleicht mit Frau Merkel, denn die ist der Typ solide
       Steuerberaterin, der man einmal im Jahr einen schwarzen Schuhkarton mit
       unsortierten Quittungen bringt. Die kümmert sich schon.
       
       3 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Reichert
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