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       # taz.de -- Stahlwerk in Italien: Dreckschleuder produziert weiter
       
       > Gerichte schließen ein berüchtigtes Stahlwerk in Tarent. Die Regierung
       > hebt per Dekret den Beschluss wieder auf – mit einem Verweis auf den
       > Arbeitsmakt.
       
   IMG Bild: Umweltgifte aus den Schloten: Sonnenuntergangsromantik am Ilva-Stahlwerk.
       
       ROM taz | Italiens Regierung hat mit einem Gesetzesdekret die bisherigen
       Gerichtsbeschlüsse zur Stilllegung der Produktion im Ilva-Stahlwerk von
       Tarent aufgehoben. Die berüchtigste Dreckschleuder der Republik, die seit
       Jahren Feinstaub, Benzpyrene, Dioxin und andere Schadstoffe weit über die
       Grenzwerte hinaus ausstößt, kann damit so weitermachen wie bisher.
       Allerdings machte die Regierung strenge Auflagen zu einer zukünftigen
       umweltfreundlichen Umrüstung der Produktionsanlagen.
       
       Regierungschef Mario Monti argumentiert, nur so ließen sich „Umwelt,
       Gesundheit und Arbeitsplätze retten“. Während zwei der drei Mitglieder der
       Eigentümerfamilie Riva wegen Umweltverbrechen in Haft sitzen und ein
       dritter auf der Flucht ist, eilt die Regierung so den Rivas zu Hilfe;
       schließlich führe die Umsetzung der Gerichtsanordnung zum Verlust der
       11.500 Arbeitsplätze in Tarent und Zehntausender Jobs bei anderen
       Ilva-Werken und Zulieferern, heißt es; der volkswirtschaftliche Schaden sei
       mit einem Minus von einem Prozent des BIP enorm.
       
       Empört zeigten sich die Vertreter der Justiz über das Regierungsdekret. Die
       Staatsanwaltschaft von Tarent wird voraussichtlich Verfassungsbeschwerde
       einlegen. Denn einerseits werde durch das Dekret in der Sache das
       Grundrecht auf Gesundheit außer Kraft gesetzt. Andererseits sei es in der
       Form ein Unding, dass sich die Exekutive anmaße, gleichsam als letzte
       Instanz in ein Gerichtsverfahren einzugreifen.
       
       Damit dürfte der Fall Ilva jetzt vor dem Verfassungsgericht landen –
       nunmehr als direkter Konflikt der Justiz mit der Regierung. Ilva wird mit
       dem Dekret zugleich verpflichtet, in den nächsten zwei Jahren etwa vier
       Milliarden Euro in die Umrüstung der Fabrik zu stecken.
       
       Ein Regierungsbeauftragter soll vor Ort über die pünktliche Einhaltung der
       Auflagen wachen, nachdem die Rivas über Jahre hinweg immer wieder leere
       Versprechen zur Sanierung der Fabrik gemacht hatten. Anderenfalls droht das
       Dekret mit hohen Geldbußen von 10 Prozent des Jahresumsatzes, das wären 800
       bis 900 Millionen Euro. Als letzte Alternative wird auch eine Enteignung
       der Ilva durch den Staat nicht ausgeschlossen.
       
       3 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
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