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       # taz.de -- Stahlwerksschließung in Frankreich: Enttäuscht von Hollande
       
       > Die französische Regierung und der Stahlkonzern ArcelorMittal einigen
       > sich auf die sanfte Schließung der Werke in Lothringen.
       
   IMG Bild: Enttäuscht: Lothringische Stahlkocher in direkter Konfrontation mit Minister Montebourg, dem Verhandlungsführer der Regierung.
       
       PARIS taz | Die von der Schließung bedrohten Stahlwerke von ArcelorMittal
       im lothringischen Florange bleiben erhalten. Darauf haben sich am Samstag
       die französische Regierung und der Stahlkonzern nach wochenlangen
       Verhandlungen geeinigt.
       
       Stahlboss Lakshmi Mittal blieb bis zum Schluss hart. Er hält daran fest,
       dass die Hochöfen von Florange bis auf Weiteres kalt bleiben sollen. Auch
       will er die für ihn rentablere Stahlverarbeitung und -veredelung trotz
       öffentlichen Drucks nicht zusammen mit den stillgelegten Öfen der
       Stahlgießerei an einen Konkurrenten abtreten.
       
       Die französische Regierung hat dafür erreicht, dass Mittal die von
       Entlassung bedrohten 630 Stahlgießer entweder vorzeitig in den Ruhestand
       schickt oder anderweitig im Unternehmen weiterbeschäftigt. Zudem soll der
       Konzern des indischen Milliardärs für den Unterhalt der Hochöfen und die
       Modernisierung von Florange insgesamt 180 Millionen Euro investieren. Die
       Regierung stellt jedoch vor allem die Rettung von rund 600 Arbeitsplätzen
       in den Vordergrund, um den Anschein eines Verhandlungserfolgs zu wahren.
       
       ## Übersättigter Weltmarkt
       
       Mittal hat zudem in Aussicht gestellt, im Rahmen des europäischen
       Förderprogramms Ulcos zu einem späteren Zeitpunkt die jetzt ruhenden
       Hochöfen mit modernisierter und umweltfreundlicherer Technologie erneut in
       Betrieb zu nehmen. Doch der Weltmarkt ist übersättigt. Deshalb dürfte es
       dazu nur kommen, wenn sich die Investitionen und entsprechende Subventionen
       aus Paris und Brüssel rentieren.
       
       Völlig enttäuscht zeigten sich die Gewerkschaften der Stahlarbeiter. Sie
       hatten seit 18 Monaten gegen die Stilllegung ihrer Hochöfen gekämpft. „Wir
       sind auf dem Kriegspfad“, sagte Edouard Martin von der Gewerkschaft CFDT
       dem französischen Fernsehsender iTele.
       
       Die Arbeitnehmervertreter fühlen sich verraten. Sie hatten angenommen, in
       Präsident François Hollande und dessen Regierung einen verlässlichen
       Verbündeten zu haben. Hollande war im Wahlkampf nach Florange gekommen und
       hatte sich für die Forderungen der Arbeiter starkgemacht. Die Zukunft der
       Stahlindustrie war in der Kampagne zu einem Symbol für den Erhalt der
       französischen Industrie überhaupt geworden.
       
       ## Hoch gepokert
       
       Hollande überließ es dann seinem Industrieminister Arnaud Montebourg,
       ArcelorMittal Konzessionen abzuringen. Montebourg pokerte hoch – und drohte
       sogar mit einer vorübergehenden Verstaatlichung.
       
       Das wurde vom französischen Arbeitgeberverband als „Skandal“ bezeichnet.
       Aus dem Ausland kam Kritik an der „anachronistischen“ Ideologie der
       Regierung: Londons Bürgermeister Boris Johnson spottete über die
       „Sansculotten“ von Paris. Wie Hollande selbst später einräumte, sollte die
       „Waffe“ der Verstaatlichung nur als Abschreckungsmittel dienen.
       
       Weltmarktführer ArcelorMittal zeigte sich davon nur wenig beeindruckt. Er
       hat in Frankreich rund 20.000 Beschäftigte und ist mit einem Anteil von 34
       Prozent an der europäischen Flachstahlproduktion mehr als doppelt so stark
       wie ThyssenKrupp.
       
       Der Konzern nimmt außerdem als Zulieferer der Automobilbranche eine
       industrielle Schlüsselrolle ein. Das gab ihm letztendlich wohl eine
       stärkere Verhandlungsposition als Minister Montebourg.
       
       2 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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