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       # taz.de -- Digitale Aids-Kampagne dotHIV: Google.hiv statt Google.com
       
       > Die Kampagne dotHIV will die neue Webadressen-Endung .hiv einführen und
       > so Geld für Aids-Projekte sammeln. Sie soll zu einer digitalen roten
       > Schleife werden.
       
   IMG Bild: Die rote Schleife soll Solidarität mit HIV-Positiven zeigen – auch im Netz
       
       BERLIN taz | Carolin Silbernagl will nichts Geringeres, als die „rote
       Schleife des digitalen Zeitalters“ zu erfinden. Ihre Vision: Firmen gegen
       Geld die Webadressen-Endung .hiv anbieten. „So könnten in fünf Jahren circa
       10 Millionen Euro für kleine Aids-Projekte auf der ganzen Welt generiert
       werden“, sagt Silbernagl. Die Projektleiterin von [1][dotHIV] hofft so auch
       die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen zu können und zur
       Entstigmatisierung Menschen beizutragen, die mit dem Immunschwäche-Virus
       infiziert sind.
       
       [2][Das Ganze funktioniert so:] Alle Firmen – von Apotheken bis
       Pornoseitenbetreibern - die sich mit HIV-Infizierten solidarisieren wollen,
       zahlen jährlich 120 Euro in den Spendentopf des gemeinnützigen Vereins ein
       und können dafür .hiv an ihre Internetadresse hängen. Jeder Aufruf einer
       .hiv-Website aktiviert eine Mikrospende aus dem Spendentopf. Dann können
       die User per Online-Voting entscheiden, welche Projekte das Geld erhalten
       sollen. Selbst wenn die User den Spendentopf nicht zur Gänze leerklicken,
       wird das Geld an bestehende Organisationen weitergereicht.
       
       Ob das Projekt umgesetzt werden kann, hängt von der Zusage der
       kalifornischen Verwaltungsbehörde für Internetadressen (ICANN) ab. Diese
       eröffnete vergangenes Jahr einen Bewerbungsprozess zur Registrierung neuer
       Top-Level-Domains (TLD). Mehr als 1900 Anträge gingen ein – dotHIV
       beantragte als einzige Organisation eine TLD, die ausschließlich einem
       sozialen Zweck dient. Die Antwort aus Kalifornien erwartet Silbernagl
       zwischen Mai und Juli 2013.
       
       Nach ihrem Politikstudium arbeitete Silbernagl im Stiftungswesen bis sie
       2011 auf die Idee mit der gemeinnützigen TLD kam. Dass sich HIV für so ein
       Projekt anbietet, hat ihr zufolge drei Gründe: „Es ist das einzige
       Entwicklungsthema – außer Klima – mit globaler Relevanz. Es betrifft jeden
       individuell. Und: Die drei Buchstaben sind ein wirkungsmächtiger Begriff
       mit einem hohen Wiedererkennungswert über alle Kulturgrenzen hinweg.“
       
       HIV-Arbeit ist ein sehr sensibles Themenfeld. Silbernagl hat dabei die
       Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, die Interessen der Betroffenen und
       die entsprechenden Vertreter von Anfang an einzubinden. „Weil wir zu Beginn
       so sehr mit uns selbst beschäftigt waren, haben wir das nicht ausreichend
       berücksichtigt und dafür einige Ohrfeigen kassiert“.
       
       Der HIV-Blogger [3][„alivenkickn“ echauffierte sich beispielsweise in einem
       Onlineforum] darüber, dass dotHIV bestehenden Organisationen potenzielle
       Spendengelder entziehen würde. Silbernagl hält dem entgegen, dass es bei
       ihrem Projekt auch darum geht, Akteure aus der Privatwirtschaft für
       soziales Engagement zu mobilisieren: „Wir wollen neues Geld ins Feld
       bringen, um kleine Projekte zu finanzieren, die von den etablierten
       Organisationen keine Unterstützung erhalten.“
       
       ## Entstigmatisierung durch geteilte Solidarität
       
       Eine andere „Ohrfeige“ kam vom Matthias Gerschwitz, Autor des Buches „Leben
       mit HIV: Endlich mal was Positives“. Er lebt seit 20 Jahren mit dem Virus
       und sagt: „Ich halte diese Idee für einen modernen Ablass. Das Problem von
       HIV besteht heute zum großen Teil nicht mehr aus dem Kampf gegen die
       Krankheit als solche, sondern um ihre öffentliche Wahrnehmung und den
       Umgang mit den Infizierten.“
       
       Dass viele Menschen bei HIV automatisch an Aids, an schwere Krankheit und
       baldigen Tod denken würden, bestätigt Holger Wicht, Pressesprecher der
       Deutschen Aids-Hilfe. Wicht sagt, das sei ein falsches Bild, denn
       hierzulande hätten Menschen mit HIV nach wissenschaftlicher Einschätzung
       eine annähernd normale Lebenserwartung, wenn die Infektion rechtzeitig
       behandelt werde.
       
       Gerschwitz bezweifelt, dass sich dieses Stigma durch anonyme Klicks abbauen
       lässt. Silbernagl sieht das anders: „Wenn Google google.hiv schaltet,
       entsteht eine durch das Stigma aufgeladene Spannung, über die die
       Internet-User stolpern und die zum Nachdenken anregt. Indem sich dieses
       Prinzip mehrere Tausend Male wiederholt, entsteht eine geteilte
       Solidarität.“
       
       Gerschwitz kritisiert auch, dass das Thema auf diese Weise aus dem realen
       Bewusstsein in die Virtualität abgedrängt wird. Die Aufklärungsarbeit und
       die Prävention würden dadurch erschwert werden. Für Wicht ist dieses
       Argument nicht haltbar: „Wer zwischen Realität und Virtualität
       unterscheidet, hat nicht verstanden, wie Menschen heute ihre Meinungen
       bilden. Wenn dotHIV ein Erfolg wird, kann es zu unseren Zielen einiges
       beitragen – finanziell, aber auch durch Bewusstseinsbildung.“
       
       Während Gerschwitz bis heute den Dialog mit Silbernagl ablehnt, kann sich
       die Deutsche Aids-Hilfe mittlerweile gut vorstellen, eine .hiv-Domain zu
       registrieren. In diesem Fall wäre die Registrierung gratis – ein Zeichen
       der Solidarität.
       
       1 Dec 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.dothiv.org/?lang=de
   DIR [2] http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ZAk0NTZgZ0c
   DIR [3] http://www.ondamaris.de/?p=27342
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philipp Niedring
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt HIV und Aids
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   DIR Polizei
       
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