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       # taz.de -- Die Wahrheit: Bankettgeile Visagen
       
       > Helmut Markwort aus Münchner Allianz Arena verbannt.
       
   IMG Bild: Sie sind Münchens bekannteste Hinrenner: Helmut Markwort (l.) und seine Gemahlin Patricia Riekel (r.).
       
       Es wäre ein Fall von Zensur im eigenen Haus: Helmut Markwort, Herausgeber
       des Focus, soll einen Beitrag verhindert haben, der ihn selbst betrifft.
       Ein Journalist des Fakten-Fakten-Fakten-Magazins, der ungenannt bleiben
       möchte, hatte geschrieben, Markwort sei beim FC Bayern München von der
       Tribüne verbannt worden, da Vereinspräsident Uli Hoeneß „seine Visage nicht
       mehr sehen“ könne.
       
       Der Bericht sei dem Herausgeber „wie üblich“ zur Genehmigung vorgelegt
       worden – woraufhin Markwort „hoeneßrot“ angelaufen sei und gebrüllt habe,
       so eine „Sauerei“ müsse er sich nicht bieten lassen. Offiziell hieß es,
       Markwort habe den Artikel „aus journalistischen Gründen“ abgelehnt.
       
       Auf Nachfrage bei Bayern München ergibt sich allerdings ein anderes Bild.
       Markwort, der dort auch Mitglied des Verwaltungsbeirats ist, sei
       tatsächlich von seinem Stammplatz auf der Tribüne in der Allianz Arena
       „suspendiert“, erklärte ein Vereinssprecher, sein Funktionärsamt ruhe.
       Damit wolle Hoeneß noch vor der Vollversammlung der Deutschen Fußball-Liga
       am 12. Dezember, bei der ein ganzheitliches Konzept zur Fankultur in
       deutschen Fußballstadien verabschiedet werden soll, „in die Offensive
       gehen“.
       
       In Zeiten der Krise müsse der FC Bayern ein „Exempel statuieren“: „In
       Spanien, Italien, Portugal und Griechenland, da hungern sogar schon die
       Spieler!“, wurde Hoeneß zitiert. Aus Gründen der „Pietät“ sei es da
       geboten, „offene Dekadenz“ künftig zu vermeiden. Das eigentliche Problem
       seien „bankettgeile“ Fans der Kategorie F „wie Focus“: „Die sind doch nur
       zum Fressen hier!“, so Hoeneß.
       
       Dazu zählten auch „die Fuzzis“ von der Bayerischen Landesbank, die große
       Kartenkontingente an die eigene Belegschaft verkauften. Ein international
       renommiertes Unternehmen wie der FC Bayern könne es sich nicht länger
       leisten, mit „Verbrechern“ in Verbindung gebracht zu werden, die die
       Finanzkrise verschuldet und „den Scheißmarktliberalismus schöngeschrieben
       haben“, erklärte Hoeneß.
       
       „Mit solchen Leuten gewinnen Sie keinen Blumentopf mehr, geschweige denn
       einen Scheißtitel.“ Es sei ja „kein Wunder“, dass in der Münchner Arena oft
       „eine Scheißstimmung“ herrsche, „wie in der Oper!“ Fußball müsse endlich
       wieder zu einem „Ereignis für die ganze Scheiß-, äh … Familie“ werden.
       Markworts Platz werde daher bereits beim nächsten Champions-
       League-Heimspiel gegen Bate Borisov mit einer dreiköpfigen Hartz-IV-Familie
       aus dem Stadtteil Hasenbergl besetzt.
       
       Von den Bayern-Spielern wollte sich nur Franck Ribéry zu dem Vorgang
       äußern. Er sei „sehr enttäuscht“, erklärte der Franzose: „Der Helmut hat
       damals so toll zu mir gehalten wegen der kleinen Nutte. Darüber hat er
       nicht geschrieben, das werde ich ihm nie vergessen.“
       
       Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) begrüßte hingegen den Vorstoß der Münchner.
       DFB-Präsident Wolfgang Niersbach will sogar noch einen Schritt weiter
       gehen: Er habe Bundestrainer Joachim Löw dazu angehalten, den Begriff
       „fokussieren“ künftig nicht mehr zu verwenden. Denn der deutsche Fußball
       werde nicht nur an seinen Taten, sondern auch an seinen Worten gemessen, so
       Niersbach.
       
       Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich mahnte Markwort zur Vernunft. Wenn
       er sich dem Willen des Vereins nicht beuge, bleibe nichts anderes übrig,
       als das Thema Tribünenplatzverbot auch umzusetzen, sagte der CSU-Politiker.
       „Als Fußballfan“ hoffe er allerdings, „dass es nicht so weit kommt, dass es
       in Deutschland nur noch Stehplätze in den Stadien gibt“.
       Generalbundesanwalt Harald Range sagte, nötigenfalls könne man Fans der
       Kategorie F auch per elektronischer Fußfessel kontrollieren.
       
       Laut Hoeneß ist man sogar bereit, eine „angemessene Ablösesumme“ für
       Markwort zu zahlen. Das Problem sei allerdings: Der Mann sei „praktisch
       nicht vermittelbar“. Nicht mal der VfL Wolfsburg habe Interesse bekundet.
       „Nachdem der Felix Magath da Millionen zum Fenster rausgeworfen hat,
       müssten die eigentlich für jeden Cent dankbar sein“, rätselte Hoeneß.
       
       Offenbar habe Volkswagen aber aus der Causa Magath gelernt und arbeite
       ebenfalls an einem neuen Image der Bescheidenheit. Nun müsse man wohl alte
       Verbindungen nutzen. Der FC Bayern habe einst den Lokalrivalen 1860 München
       vor der Insolvenz bewahrt, da sei es jetzt „nur recht und billig“, wenn die
       Sechziger sich unbürokratisch revanchierten.
       
       Markwort hat aber offenbar bereits eigene Konsequenzen gezogen. Im
       Bundestag wurde er mehrere Tage lang auf der Besuchertribüne mit einem
       Fanschal der FDP gesichtet; seit 1968 ist Markwort Parteimitglied. Er werde
       sich jetzt „mit ganzer Kraft einem Verein widmen, der jeden Anhänger
       gebrauchen könne“. Und das Angebot in der Bundestagskantine sei „gar nicht
       mal so schlecht“.
       
       1 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Kokoska
       
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