# taz.de -- Sachsen-WG auf Bild.de: Unerträglich dämlich
> Zwischen „Big Brother“ und Doku-Soap: Mit der „Sachsen-WG“ will „Bild“
> Leser im Netz gewinnen – ein Versuch, auf die Printkrise zu reagieren.
IMG Bild: Sachsen in sächsischer WG-Pose auf bild.de
Bei den Regionalausgaben der Bild in Sachsen setzt die Printkrise offenbar
einiges Kreativitätspotenzial frei. „Sachsen-WG“ ([1][Link zu bild.de])
heißt das Konzept, bei dem sich drei von einer Jury aus Bild-Mitarbeitern
gecastete Dreierteams noch bis Ende Dezember drei Monate lang eine WG
teilen – in Chemnitz, Leipzig und Dresden.
Die „Sachsen-WG“ changiert irgendwo zwischen „Big Brother“ und „Berlin Tag
und Nacht“, dieser RTL-II-Doku-Soap über vier von Laiendarstellern
gespielte Berliner Wohngemeinschaften. Auf bild.de kann man sich Clips von
quälend lahmen Einweihungspartys ansehen und Artikel darüber lesen, wie
WG-Insasse David („der Paradiesvogel“) Maite Kelly auf die Wange küsst.
Bei Springer ist man zufrieden, mit der taz über das Projekt sprechen will
Robert Kuhne, Redaktionsleiter von Bild Ostdeutschland und einer der
Ideengeber für die „Sachsen-WG“, trotzdem nicht. Auf Facebook und bild.de
erziele man mit dem Format eine große Reichweite, sagt anstelle von Kuhne
Springer-Sprecher Tobias Fröhlich.
## Drehbuch der Bild-Redaktion
Das Bemerkenswerte: Die „Sachsen-WG“ zeigt, dass man Scripted Reality
offenbar auch prima auf Print/Online übertragen kann. Zwar will man bei
Springer weder von Inszenierung etwas hören noch davon, man benutze das
Vorbild des Scripted-Reality-TV für das geschriebene Wort.
Es mag zwar keinen Drehbuchtext für die WG-Bewohner geben, wie Kuhne im
Oktober in einem Interview mit dem sächsischen Online-Medienmagazin
Flurfunk Dresden behauptete. Und vielleicht sind die Sachsen-WGler auch
keine (Laien-)Schauspieler. Doch die Ereignisdramaturgie, auf die die
Bewohner „spontan“ reagieren sollen, folgt dem Drehbuch der Bild-Redaktion.
Und das hat selbstverständlich Konzept.
## Scheinreale Welt
Sowohl „Berlin Tag und Nacht“ als auch die „Sachsen-WG“ bauen eine
scheinreale Welt auf, ob mit Drehbuch oder durch geschickte
Ereignisdramaturgie, ob mit Laiendarstellen, die sich vor allem selbst
spielen oder mit Klischeetypen (das Blondchen, der Durchgeknallte). Kopiert
fühlt man sich beim Facebook-Erfolg „Berlin Tag und Nacht“ (rund 2
Millionen Fans) aber nicht, wie Felix Wesseler, Sprecher der
Produktionsfirma Filmpool, betont. „Auch weil bei ’Berlin Tag und Nacht‘
die Zuschauer nicht direkt in die Handlung eingreifen können.“ Bei der
„Sachsen-WG“ können hingegen Leser über „Wochenaufgaben“ abstimmen, wie in
der Fußgängerzone einen Flashmob organisieren.
Die Rückkopplung aus den sozialen Netzwerken nutzen beide Formate, die
Interaktion bei der „Sachsen-WG“ ist nur direkter. Und deswegen sind beide
WG-Welten erfolgreich. Sie reichen in die Wirklichkeit der Zuschauer
hinein. Die „Berlin Tag und Nacht“-Stars unterhalten sich (in ihren Rollen)
auf Facebook mit Fans oder geben (als ihre Serien-Ichs) Interviews in der
Bravo.
Die „Sachsen-WG“ ist unerträglich dämlich und zugleich clever: Man holt
potenzielle Bild-Leser da ab, wo sie sich ohnehin bewegen, im Social Web.
Und gewöhnt sie an die „Marke Bild“, ohne den Anschein zu erwecken, man
dränge sich auf. Dennoch gibt es einiges aus der WG nur exklusiv in der
Printausgabe. Mit Sicherheit so ein kleiner Zufall wie alles andere in der
WG auch.
29 Nov 2012
## LINKS
DIR [1] http://www.bild.de/regional/leipzig/leipzig-regional/seite-willkommen-in-der-sachsen-wg-26143932.bild.html#
## AUTOREN
DIR Anna Klöpper
## TAGS
DIR Dokumentarfilm
DIR Bild-Zeitung
DIR Sachsen
DIR Schwerpunkt Zeitungskrise
DIR Billiglohn
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