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       # taz.de -- Baseball-Gewerkschafter gestorben: Von Leibeigenen zu Millionarios
       
       > Baseball-Gewerkschafter Marvin Miller veränderte den US-Sport
       > grundlegend. Jetzt ist er im Alter von 95 Jahren gestorben.
       
   IMG Bild: Arbeitskämpfer: Marvin Miller im Jahre 1981.
       
       Über Tote nichts Schlechtes. Aber Marvin Miller hat eine Ausnahme verdient,
       denn als Chef der Gewerkschaft der Baseballprofis hat er zwar die
       amerikanische Sportwelt zum Besseren gewandelt, aber beliebt hat er sich
       währenddessen nicht überall gemacht. Unter der Ägide von Miller, der am
       Dienstag im Alter von 95 Jahren gestorben ist, wurden die Machtverhältnisse
       im Baseballgeschäft auf den Kopf gestellt: Aus rechtlosen, dürftig
       bezahlten Spielern wurden Millionäre, die den Kurs ihrer Sportart
       bestimmen.
       
       Doch Millers Erfolge in den 60er und 70er Jahren veränderten nicht nur
       Baseball, sondern hatten Einfluss auf den Profisport weltweit. Miller ist
       mitverantwortlich dafür, dass Sportler sich nicht mehr dafür zu schämen
       brauchen, wenn sie ihre Leistung an den Meistbietenden verkaufen.
       
       Der aus New York stammende Miller studierte Ökonomie und arbeitete für
       verschiedene Gewerkschaften, bevor er 1966 zum Geschäftsführer der Major
       League Baseball Players Association (MLBPA) gewählt wurde. Überaus eloquent
       und beängstigend intelligent, jederzeit beherrscht und in der Sache
       knallhart begann Miller Gesetzmäßigkeiten, die in anderen
       Wirtschaftszweigen vollkommen selbstverständlich sind, auf den Sport zu
       übertragen.
       
       Mit Klagen, Streiks und Verhandlungen erreichte er Jahr für Jahr neue
       Verbesserungen für die Spieler. Mal rang er den Klubeigentümern eine
       Polsterung der Zäune am Spielfeldrand ab, um das Verletzungsrisiko zu
       verringern, mal schaffte er es, dass das zuvor zwei Jahrzehnte unverändert
       gebliebene Mindesteinkommen von 6.000 Dollar auf 10.000 erhöht wurde.
       
       ## Leibeigenschaft für Profisportler
       
       1972 initiierte er den ersten ernsthaften Streik in der
       Profisportgeschichte, aber sein größter Coup gelang ihm zwei Jahre später
       vor Gericht mit der Abschaffung der sogenannten Reserve Clause: Die Regel
       besagte, dass ein Verein auch nach dem Ablauf eines Vertrages die Rechte an
       einem Spieler behielt. Die Folge war eine Art von Leibeigenschaft: Profis
       konnten ohne ihre Zustimmung jederzeit verkauft werden und mussten die
       angebotenen Gehälter akzeptieren, weil sie sonst gar nicht mehr hätten
       spielen können.
       
       Doch als Miller begann, gegen diese Zustände vorzugehen, konnte er sich
       noch nicht einmal der flächendeckenden Unterstützung seiner eigenen
       Gewerkschaft sicher sein: Nicht nur die amerikanische Öffentlichkeit,
       sondern auch viele MLBPA-Mitglieder befürchteten, die Auseinandersetzung
       könnte ihren Sport ruinieren. Aber Miller blieb hart und setzte sich durch:
       „Ich weiß nicht mehr“, erinnerte er sich später, „wie oft mir vorgeworfen
       wurde, ich würde Baseball ins Grab bringen.“
       
       Mit dem Ende der Reserve Clause änderte sich alles: Die Spielergewerkschaft
       war nun gleichberechtigter Verhandlungspartner, Spieler wechselten alle
       paar Jahre die Trikotfarbe und verdienten plötzlich Millionen. Ein Wandel,
       der seinem Architekten viel Hass eintrug. Nicht nur von den Klubeignern,
       die um ihre Profite fürchteten, sondern auch von Medien und Fans, die den
       Einbruch des Kapitalismus in die heile Baseballwelt beklagten und den
       Spielern Gier vorwarfen – wie heute verwöhnten Fußball-Millionarios.
       
       Als Miller 1982 in Rente ging, hinterließ er die mächtigste
       Sportlergewerkschaft der Welt. In seiner Amtszeit war das
       Durchschnittseinkommen eines Profis in den Major Leagues von 19.000 Dollar
       auf 326.000 gestiegen. Jetzt liegt es bei über 3 Millionen Dollar im Jahr.
       Doch trotz seines gewaltigen Einflusses auf den Sport wurde Miller nie in
       die Baseball Hall of Fame gewählt – die späte Rache des
       Baseball-Establishments an dem Mann, der ihnen die Gelddruckmaschinen
       entwendet und den Spielern in die Hände gelegt hatte.
       
       28 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
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