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       # taz.de -- Hausangestellte von Diplomaten: Ausbeutung in der Immunität
       
       > Antonia R. musste für eine Diplomatin 14 Stunden am Tag arbeiten, wurde
       > beschimpft und bekam ihren Lohn zu spät. Nun hat sie eine Nachzahlung
       > erstritten.
       
   IMG Bild: Ausbeutung in Diplomatenhaushalten – keine Ausnahme.
       
       BERLIN taz | Als Antonia R. vor einem knappen Jahr nach Deutschland reiste,
       hatte sie einen vielversprechenden Arbeitsvertrag in der Tasche. Als
       private Hausangestellte einer Diplomatin sollte sie geregelte Arbeitszeiten
       haben und ein Einkommen von 915 Euro. Ein Vielfaches des bolivianischen
       Durchschnittsgehalts. Geld, das Antonia R. zur finanziellen Unterstützung
       ihrer Tochter gut gebrauchen konnte. Ihr Gehalt bekam sie jedoch erst nach
       einer vom Auswärtigen Amt moderierten Verhandlung Anfang November.
       
       Kein Einzelfall. Fünf bis zehn Opfer von Ausbeutung in Diplomatenhaushalten
       werden jährlich bekannt. Mitunter in Verbindung mit (sexueller) Gewalt oder
       Freiheitsberaubung. Die Dunkelziffer dürfte höher sein, denn das deutsche
       Recht begünstigt Ausbeutung in Diplomatenhaushalten. Neben der Immunität
       der Diplomaten ist die Isolation der rund 200 privaten Hausangestellten ein
       Problem.
       
       Sie müssen im Haus ihrer Arbeitgeber wohnen und die Arbeitgeber besorgen
       den Protokollausweis, den die Hausangestellten statt eines Stempels im Pass
       bekommen. Erst bei der ersten Verlängerung des Protokollausweises nach
       einem Jahr müssen die Hausangestellten persönlich vorsprechen.
       
       Antonia R. ging früher und muss in diesen Tagen zurück nach Bolivien, denn
       mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlor sie ihre
       Aufenthaltsberechtigung. Bis zu 14 Stunden täglich musste sie nach eigenen
       Angaben arbeiten, auch an den Wochenenden. Klagen über Rückenschmerzen
       wurden nicht ernstgenommen, aus dem Haus durfte sie fast nie. Wenn sie nach
       ihrem Lohn fragte, kam es zu Streit. Antonia R. sagt, ihre Chefin habe sie
       beschimpft und gedemütigt. Sie habe ihr vorgerechnet, sie müsse zuerst die
       Reisekosten abarbeiten.
       
       Das Auswärtige Amt schreibt jedoch vor, dass diese von den Diplomaten zu
       tragen sind. Einmalig bekam Antonia R. im Frühjahr 1.200 Euro. Im August
       eskalierte die Situation schließlich. Ihre Chefin habe sich geweigert, sie
       zum Arzt zu fahren, hätte gar versucht, sie einzusperren. Daraufhin habe
       sie ihre Tasche geschnappt und sei abgehauen. Eine Nacht verbrachte sie auf
       der Straße, anschließend kam sie bei Ban Ying unter, einem Verein für
       Rechte von Hausangestellten. Der Kontakt kam über Respect, ein Netzwerk
       lateinamerikanischer Frauen, zustande, von dem Antonia durch Zufall im Juni
       erfahren hatte.
       
       ## Schweigen für Geld
       
       Die Organisation Ban Ying beriet Antonia R. und reichte eine Forderung auf
       Lohnnachzahlung beim Auswärtigen Amt ein. Zusammen mit den Überstunden eine
       Summe von 18.000 Euro. Das Auswärtige Amt berief daraufhin eine Verhandlung
       mit der bolivianischen Botschaft ein, an der Antonia R. aus Angst vor der
       ehemaligen Chefin nicht teilnahm. Sie wurde von Ban Ying und einer Anwältin
       vertreten. 8.000 Euro hätten sie ihr angeboten, wenn sie Stillschweigen
       bewahre.
       
       Doch Antonia R. wollte sich nicht den Mund verbieten lassen: „Lieber
       bekomme ich gar kein Geld.“ Sie wollte reden, um anderen Hausangestellten
       zu helfen. Letztendlich bekam sie die 8.000 trotzdem.
       
       Aber die Organisation Ban Ying verpflichtete sich, zu schweigen. Das sei so
       üblich, meint Nivedita Prasad von Ban Ying. „Wir nehmen das Redeverbot in
       Kauf, wenn wir in den Verhandlungen den Mindestlohn erstreiten.“
       Öffentlichkeit sei das einzige Druckmittel auf die Botschaften, das die
       Organisation habe. Ban Ying unterstützt regelmäßig Hausangestellte bei
       ihren Forderungen gegen Diplomaten. Das Auswärtige Amt wollte sich dazu
       nicht näher äußern. „In einzelnen Fällen vermittelt das Auswärtige Amt. Es
       gibt aber keine Einzelheiten zu solchen Fällen bekannt“, so eine
       Sprecherin.
       
       Die bolivianische Botschafterin Elizabeth Salguero Carillo zeigt sich
       zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlung: „Die Gerechtigkeit ist wieder
       hergestellt.“ Die Sache sei erledigt. Salguero Carillo ist erst seit Juli
       2012 als Botschafterin in Deutschland beschäftigt. Zuvor arbeitete sie in
       Bolivien im Bereich Frauen- und Indigenenrechte. Unter anderem kämpfte sie
       für ein Gesetz, das die Rechte von Hausangestellten stärkt.
       
       28 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Haack
       
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