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       # taz.de -- Vorwahl der italienischen Linken: „Gebrauchtmodell“ gegen „Luftikus“
       
       > Am Sonntag entscheidet sich, wer der Spitzenkandidat des italienischen
       > Mitte-Links-Lagers wird. Es ist ein Kampf zwischen Jung und Alt.
       
   IMG Bild: Der frische Renzi ...
       
       ROM taz | Millionen Italiener werden am Sonntag über den Spitzenkandidaten
       des Mitte-links-Lagers bei den im Frühjahr 2013 anstehenden
       Parlamentswahlen und damit über den möglichen Nachfolger Mario Montis als
       Ministerpräsident abstimmen. Fünf Kandidaten sind bei den Vorwahlen im
       Rennen. Tatsächlich aber erlebt Italien einen Zweikampf zwischen dem
       Vorsitzenden der Partito Democratico (PD) Pierluigi Bersani, und dem
       ebenfalls der PD angehörenden Bürgermeister von Florenz Matteo Renzi.
       
       Jung gegen Alt, frischer Wind gegen den Muff altgedienter Funktionäre, die
       Facebook- und Twitter-Generation gegen die unbelehrbaren Verteidiger
       verkrusteter Strukturen: Mit dieser Selbstinszenierung ist der 37-jährige
       Matteo Renzi binnen weniger Monate zum ernsthaften Herausforderer des
       PD-Establishments geworden.
       
       Die alte Garde der Partei wolle er „verschrotten“, verkündet Renzi, der in
       Debatten durch Schlagfertigkeit und Pointensicherheit glänzt. Maximal zwei
       Legislaturperioden sollten die PD-Politiker im Parlament sitzen – um dann
       neuen, frischen Nachwuchskräften Platz zu machen und wieder
       hinauszurotieren.
       
       Dass die Herausforderung ernst zu nehmen ist, ist dem Parteichef Bersani
       nur allzu klar: Schon im Jahr 2008 setzte der damals als krasser
       Außenseiter gehandelte Renzi sich mit einer ähnlichen Vorwahlkampagne gegen
       die lokalen Granden der Partei in Florenz durch und wurde schließlich
       Bürgermeister.
       
       ## Bersani stammt aus der kommunistischen Tradition
       
       Bersanis Anhänger stellen Renzi denn auch gern als potenziellen Totengräber
       der PD dar. Bersani führt seine Kampagne unter dem Motto, er sei, anders
       als der Luftikus Renzi, „das sichere Gebrauchtmodell“. Der 61-Jährige
       stammt wie die Mehrheit der PD aus der kommunistischen Tradition, er erwarb
       sich als Wirtschaftsminister im Mitte-links-Kabinett unter Romano Prodi
       (2006–2008) den Ruf, auch gegen die Interessen von Lobbys entschlossen
       vorzugehen. Seit 2009 ist Bersani Parteichef; er führte die PD auf einen
       sozialdemokratischen Kurs und sucht in Europa die Nähe zu Politikern wie
       François Hollande oder Sigmar Gabriel.
       
       Davon will Renzi nicht viel wissen. Der Jungstar stammt aus der
       christdemokratischen Minderheit, die im Jahr 2007 mit den früheren
       Linksdemokraten zur heutigen PD fusionierte. Renzi nennt als Vorbild gern
       Tony Blair – schon dies verrät, dass Italiens Linke nicht bloß vor einer
       Generations-, sondern vor einer Richtungsentscheidung steht. So verteidigt
       Renzi rundum die Arbeitsmarktreformen der Regierung Monti, die von der PD
       Bersanis nur mit großen Bauchschmerzen mitgetragen wurden.
       
       Unter den weiteren drei Kandidaten bei den Primaries am Sonntag hat nur
       Nichi Vendola Chancen, nennenswerte Anteile der Wählerschaft anzuziehen.
       Vendola, Regionalgouverneur Apuliens und Chef der stramm linken Partei
       Sinistra Ecologia Libertà (SEL, Linke, Ökologie, Freiheit) tritt als
       radikaler Kritiker des Sparkurses der Regierung unter Mario Monti auf..
       
       Mehr als 700.000 Wähler haben sich bis zur Mitte der Woche schon als
       Sympathisanten des Mitte-links-Bündnisses registrieren lassen; das ist die
       Voraussetzung, um an den Vorwahlen teilzunehmen. Eine Registrierung ist
       aber auch am Sonntag direkt in den Wahllokalen möglich. PD-Chef Bersani
       rechnet mit zwei, womöglich gar drei Millionen Wählern. Er selbst liegt in
       den letzten Umfragen etwa zehn Prozentpunkte vor Renzi; sollte er jedoch
       die absolute Mehrheit verfehlen, wird am 2. Dezember eine Stichwahl
       zwischen entscheiden.
       
       25 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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