URI: 
       # taz.de -- Zwangsbehandlung in der Psychiatrie: Traumatisierte Paranoide
       
       > Wann dürfen Ärzte gegen den Willen der Patienten Pillen geben? Grüne und
       > Linke wollen den Gesetzentwurf zu Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie
       > nachbessern.
       
   IMG Bild: Exponat einer Ausstellung über die Geschichte der Betreuungseinrichtung.
       
       BERLIN taz | Es sollte schnell und leise den Bundestag passieren, doch das
       geplante Gesetz zu Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie stößt auf Kritik
       der Linkspartei. Die Grünen wünschen sich Nachbesserungen.
       
       Der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und FDP sollte am
       Donnerstagabend in erster Lesung behandelt werden. Er legt fest, dass unter
       Betreuung stehende Menschen, die in eine Klinik zwangseingewiesen werden
       und eine ärztliche Maßnahme ablehnen, unter Umständen einer
       Zwangsbehandlung unterzogen werden dürfen, um zum Wohle des Betreuten einen
       „drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden“ abzuwenden.
       
       Der gesundheitliche Schaden muss durch „keine andere zumutbare Maßnahme
       abgewendet“ werden können, so der Entwurf. Der Gesetzentwurf war notwendig
       geworden, nachdem zwei Gerichtsurteile des Bundesgerichtshofes Ärzten
       Zwangsbehandlungen untersagt hatten.
       
       Maria Klein-Schmeink, Gesundheitsexpertin der Grünen, sagte der taz, der
       Gesetzentwurf habe zwar die Vorgaben der Urteile aufgenommen, aber
       Nachbesserungen seien nötig. So müsste zum Beispiel präziser klargestellt
       werden, dass in der Behandlung immer nur das jeweils mildeste Mittel
       angewendet werde.
       
       ## Sorgfältige Schadensabwägung
       
       Da sich die Zwangsbehandlungen oft auf die Gabe von Neuroleptika in
       psychotischen Episoden beziehen, könnte dies in der Praxis bedeuten, dass
       die Psychiater erst mal nur Schlafmittel geben. Es müsste auch
       sichergestellt werden, dass eine sorgfältige Abwägung möglicher Schäden der
       Zwangsbehandlung stattgefunden habe, so Klein-Schmeink. Die gewaltsame
       Verabreichung von Neuroleptika kann bei paranoiden Menschen traumatisierend
       wirken.
       
       Der Rechtsexperte der Linkspartei, Wolfgang Neskovic, schlug im Gespräch
       mit der taz vor, dass man im Gesetz festhalten könnte, dass es in den
       ersten zwei Wochen Klinikaufenthalt grundsätzlich keine Behandlungen gegen
       den Willen eines Patienten geben dürfe. Neskovic sagte, es sei noch unklar,
       ob eine vorab erstellte Patientenverfügung, in der etwa die Gabe von
       Medikamenten abgelehnt wird, auch im Krisenfall gelte und damit
       Zwangsbehandlungen verunmögliche. Der Bundesverband der
       Psychiatrie-Erfahrenen (bpe) lehnt Zwangsbehandlungen „grundsätzlich ab“,
       so Sprecher Matthias Seibt.
       
       Kommt das Gesetz, könnten die Länder mit ihren Psychisch-Kranken-Gesetzen
       nachziehen, sodass die Regelung dann nicht nur für die Betreuten, sondern
       für alle Zwangseingewiesenen gelten würde. Das Gesetz soll nächste Woche
       verabschiedet werden und 2013 in Kraft treten. Jeder zehnte
       Klinikaufenthalt ist eine Zwangsunterbringung und nur zehn Prozent dieser
       Patienten bekommt zwangweise Medikamente.
       
       22 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
   DIR Zwangsbehandlung
   DIR Psychiatrie
   DIR Bundesgerichtshof
   DIR Ärzte
   DIR Banken
   DIR psychische Gesundheit
   DIR Justizskandal
   DIR Psychiatrie
   DIR Behandlung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Psychische Gesundheit im Finanzsektor: Verrückt sind immer nur die anderen
       
       In der Londoner City nehmen mit fortschreitender Wirtschaftskrise
       psychische Probleme zu. Kein Betroffener würde das offen eingestehen.
       
   DIR Kommentar Zwangsbehandlung: Risiken und Nebenwirkungen
       
       Der Bundestag hat ein Gesetz zur Zwangsbehandlung psychisch Kranker
       gebilligt. Es soll den Trend zu Neuroleptika nicht verstärken.
       
   DIR Fall Mollath: Von Wahn und Sinn
       
       Merkwürdig kann Gustl Mollath schon erscheinen und seine Geschichten können
       auch an Verschwörung erinnern. Aber: Vieles stimmt auch.
       
   DIR Praktiken in der Psychiatrie: Angehörige als Störfaktor
       
       Früher galten Familienmitglieder von Psychiatriepatienten meist als lästig.
       Erst in den 1970er Jahren setzte ein Umdenken ein – ein sehr langsames.
       
   DIR Zwangsbehandlung in der Psychiatrie: Das Dilemma der Ärzte
       
       Eine UN-Konvention und Gerichtsurteile haben die Rechte psychisch Kranker
       gestärkt. Ärzte sind verunsichert, was sie jetzt noch dürfen.
       
   DIR Kommentar Zwangsbehandlung Psychiatrie: Die Rechte der Patienten
       
       Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass psychisch Kranken besonderer
       Schutz zusteht. Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, eine Regelung zu
       finden. Das ist gut so.
       
   DIR Urteil zu Zwangsmedikation: „Das wird kompliziert“
       
       Der Präsident der Psychiatriegesellschaft, Peter Falkai, will keine
       Kontrolle der Medikation durch einen Richter. Letztlich schade das den
       Patienten, sagt der Psychiater.