URI: 
       # taz.de -- Erinnerung an Silvio Meier: Straßenkampf in Friedrichshain
       
       > Eigentlich sollte zum 20. Todestag des von einem Nazi ermordeten
       > Hausbesetzers Silvio Meier eine Straße nach ihm benannt werden. Ein
       > Besuch vor Ort.
       
   IMG Bild: Silvio Meier gedenken: hier bei einer Demonstration in Friedrichshain vor zwei Jahren.
       
       Die Gabelsbergerstraße in Friedrichshain am Mittwoch Morgen: Zerbrochenes
       Glas von Flachmännern liegt über die Gehwege verteilt. Eine Hand voll
       Dachdecker steht mit dampfenden Kaffeebechern um einen Berg neuer
       Dachpfannen, während eine Antiquariatsangestellte vergilbte Bücher vor
       einem Schaufenster auftürmt. Am 20. Todestag des Hausbesetzers Silvio
       Meier, der in der Gabelsbergerstraße von einem jugendlichen Neonazi
       ermordet wurde, herrscht hier schnöder Alltag.
       
       Eigentlich sollte die Straße ab dem 21. November Silvio-Meier-Straße
       heißen, doch die Umbenennung in Gedenken an Meier verzögert sich. Vor allem
       die Gewerbetreibenden in der Straße haben Zweifel, ob die von der
       Initiative Aktives Gedenken angestoßene Neubenennung eine gute Sache ist.
       
       Einer von ihnen hat Klage bei der Bezirksregierung eingelegt. Er möchte
       anonym bleiben. Die Umbenennung sei geschäftsschädigend und gesetzeswidrig,
       sagt er. Tatsächlich hat sich die Bezirksregierung Friedrichshain für eine
       50-prozentige Frauenquote bei der Neu- und Umbenennung von Straßennamen und
       für die Beibehaltung einmalig vorkommender Straßennamen ausgesprochen.
       "Warum nimmt man nicht die Mainzer Straße, die gibt es dreimal in Berlin
       und da kennt man den Namen Silvio Meier auch", so der Kläger, der sich
       selbst in der politischen Mitte verortet und keinen Unterschied zwischen
       Links- und Rechtsradikalen machen möchte, sondern einfach nur seine Ruhe
       will.
       
       Thorsten Strauss, Inhaber einer physiotherapeutischen Praxis in der
       Gabelsbergerstraße, begrüßt die Umbenennung grundsätzlich. Doch ob sie
       etwas bringt, bezweifelt er: Die Fluktuation der Bewohner im Kiez ist groß,
       so dass höchstens ein Drittel der Anwohner überhaupt etwas mit dem Namen
       Silvio Meier anfangen könne, vermutet Strauss. Auch sieht er die
       Umbenennung von den Bezirkspolitikern schlecht kommuniziert. "Ich hätte mir
       zudem vorstellen können, dass die Bezirksregierung hier am 20. Todestag
       einen Informationsstand macht; die Straße ist ja relativ klein", sagt
       Strauss.
       
       Die Gegner der Straßenumbenennung geben sich ebenfalls unterinformiert.
       "Mir ist gar nicht klar, für welche Errungenschaften Silvio Meier steht,
       der war ja selbst zu DDR-Zeiten immer in der Opposition", meint Anwohnerin
       S., die es besser fände, die bereits angebrachte Gedenktafel in der
       U-Bahn-Station Samariterstraße zu verschönern.
       
       Dass Straßennamen Erinnerungen wach halten können, spricht sowohl für die
       Beibehaltung als auch für die Umbenennung der Gabelsbergerstraße. Nur
       welche Erinnerungen sind wichtiger? Für die Angestellte des Antiquariates
       ist klar: "Gabelsberg, den Erfinder der Kurzschrift, durch Silvio Meier zu
       ersetzen, ist für ein Geschäft, das Bücher verkauft eher schlecht."
       
       Auf die Frage, was sie von den Einwänden gegen eine Umbenennung halten,
       meint ein vorbeiziehendes Punkerpärchen: "Es gibt ja immer welche, aber wir
       sind in Berlin und nicht in irgend'nem thüringischen Dorf. Aber ist schon
       gut, dass man mal einem ermordeten Antifaschisten der letzten 20 Jahre
       gedenkt."
       
       Am Samstag in der neuen Wochenendausgabe der taz.berlin: Wie die
       Neonazi-Gruppe NW-Berlin die Stadt terrorisiert.
       
       22 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Kösters
       
       ## TAGS
       
   DIR Quote
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Namensstreit in Berlin: Quotenfrau auf Straßenschild
       
       Zwölf Straßen in Friedrichshain-Kreuzberg sind nach Frauen benannt, 125
       nach Männern. Jetzt werden es je eine mehr, dank eines Kompromisses der
       BVV.
       
   DIR Straße nach Hausbesetzer benannt: Meier kommt aufs Schild
       
       Nach Rückzug der Klage eines Anwohners steht der Umbenennung der
       "Silvio-Meier-Straße" nichts mehr im Weg. Aber hätte das dem ermordeten
       Hausbesetzer gefallen?
       
   DIR 20. Todestag von Silvio Meier: Mit dem Gedenken umgehen
       
       Vor 20 Jahren wurde der Hausbesetzer Silvio Meier von einem Neonazis
       umgebracht. Wie wird an ihn erinnert?
       
   DIR Rechtsextremisten terrorisieren Berlin: Verbietet diese Nazis!
       
       Der "Nationale Widerstand" zündelt, prügelt, hetzt und droht, aber die
       Politik reagiert bislang nicht. Eine Analyse aus der neuen Wochenendausgabe
       der taz.berlin.