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       # taz.de -- Verhandlungen mit Farc-Rebellen: „Zivilgesellschaft erhebt ihr Haupt“
       
       > Der kolumbianische Menschenrechtsaktivist Castro ist vorsichtig
       > optimistisch, wenn er über die Verhandlungen zwischen Regierung und
       > Farc-Rebellen spricht.
       
   IMG Bild: Die Niederländerin Tanja Nijmeijer: Sie repräsentiert die Farc bei den Friedensverhandlungen in Havanna.
       
       taz: Herr Castro, die Farc-Guerilla hat am Montag einen einseitigen
       Waffenstillstand für die nächsten zwei Monate verkündet. Was halten Sie
       davon? 
       
       Iván Cepeda Castro: Ein begrenzter einseitiger Waffenstillstand ist ein
       Schritt zum Frieden, dem die Regierung nacheifern sollte. Das rettet Leben
       und schafft Vertrauen.
       
       Welche Rolle kann und welche Rolle darf die Zivilgesellschaft bei den
       Friedensverhandlungen in Havanna spielen? 
       
       Grundsätzlich ist die Nachricht, dass verhandelt wird, erst einmal sehr
       ermutigend. Wenn das Erfolg haben sollte, würden in unserem Land erstmals
       seit fünfzig Jahren die Waffen schweigen. Achthundert zivile Organisationen
       unterstützen den Friedensprozess, der in einem sich wandelnden
       lateinamerikanischen Kontext stattfindet.
       
       Es gibt einen Trend zu neuen Gesellschaftsformen, zu mehr
       Rechtsstaatlichkeit und sozialer Entwicklung. In Kolumbien gibt es jedoch
       kaum eine staatliche Institution, die nicht in einer Glaubwürdigkeitskrise
       steckt – vom Parlament bis zu den Sozialeinrichtungen gibt es
       Korruptionsskandale. Und die soziale Krise hat sich verschärft.
       
       Klafft die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander? 
       
       Genau. Kolumbiens Einkommensverteilung ist die ungerechteste in
       Lateinamerika. Weltweit ist sie nur noch in zwei Ländern noch ungünstiger.
       Ein einfacher Arbeiter verdient 250 US-Dollar im Monat, Funktionäre in
       höheren Chargen 15.000. Wir erleben ein soziales Desaster.
       
       Besonders betroffen sind die ländlichen Regionen, in die die
       transnationalen Konzerne drängen, um Ressourcen zu Tage zu fördern. Auf der
       anderen Seite erhebt die Zivilgesellschaft nach acht Jahren der autoritären
       Regierung, die auf den Krieg setzte, wieder ihr Haupt. Davon profitiert
       auch von meine Partei Polo Democrático Alternativo.
       
       Die internationalen Kritiken für die Regierung Santos sind sehr positiv,
       aber wie beurteilen Sie die Menschenrechtssituation, das Landgesetz und das
       Gesetz für die Opfer. Haben sie etwas bewirkt? 
       
       Diese Gesetze sind ein Erfolg jahrelangen Engagements und weniger eine
       politische Konzession. Diese Gesetze haben immerhin einige Mechanismen
       aufdecken können, aber sie werden durch die offene Straflosigkeit in
       Kolumbien, die durch die Rückkehr der Militärgerichtsbarkeit noch verstärkt
       werden soll, untergraben.
       
       Zwar soll es eine Landrückgabe und eine Wiedergutmachung geben, aber die
       Summen sind beschämend. Und konkrete Landrückgaben wird es nur dann geben,
       wenn die Flächen nicht von einem internationalen Investor beansprucht
       werden.
       
       Die Widerstände gegen Verhandlungen mit der Farc sind beachtlich. 
       
       Die Voraussetzungen der Verhandlungen sind nicht gut. Der mächtige
       Ex-Präsident Álvaro Uribe hat „Verhandlungen mit Terroristen“ abgelehnt. Er
       spricht für einen erzkonservativen Sektor. Er vertritt die Viehzüchter, die
       auf großen Mengen Brachland sitzen, und die Besitzer von Ölpalmplantagen
       und riesigen Zuckerrohrflächen. Uribe selbst ist längst Großgrundbesitzer
       und dieser Sektor kann Probleme bereiten.
       
       Aufgrund der Verurteilungen und Ermittlungen ist Uribe aber angeschlagen. 
       
       Man sollte ihn nicht unterschätzen. Uribes Image in Ausland hat gelitten.
       Die Auslieferung seines Sicherheitschefs an die USA spricht Bände.
       
       Es agieren immer noch rund 10.000 Paramilitärs – wie soll es mit denen
       weitergehen? 
       
       Die Paramilitärs sind nicht nur eine bewaffnete Gruppe, sondern der
       militärische Arm einer bestimmten Gesellschaftsschicht. Die haben eine
       starke Präsenz. Die Demobilisierung ist keine Lösung, denn man muss auch
       die Institutionen von ihnen befreien, in denen sie sich in vielen Zonen
       Kolumbiens festgesetzt haben.
       
       Im Unterschied zur Farc, die politischen Raum beansprucht und
       Sicherheitsgarantien benötigt, sind die Paramilitärs Söldner, die bezahlt
       werden. Das ist ein wichtiger Unterschied. Die Farc-Guerilleros verfolgen
       eine Ideologie – die Paramilitärs nicht.
       
       20 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
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