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       # taz.de -- Dubstep aus London: Außerhalb der eigenen Komfortzone
       
       > Der Londoner Dubstep-Veteran Mala macht Musik mit kubanischen Kollegen.
       > Dabei entstand „Mala in Cuba“, ein recht konservatives Album.
       
   IMG Bild: „Während auf Kuba selbst zu Reggaeton, House und spanischem HipHop kräftig getanzt wird, schunkelt man im Rest der Welt zu Buena Vista Social Club.“
       
       Wer eine Unterhaltung über lateinamerikanische Musik zum Verstummen bringen
       will, muss nur „Kuba“ in die Runde werfen, und das Thema wird gewechselt.
       Verantwortlich dafür ist nicht die kubanische Musik, sondern wie sie gehört
       wird. Kuba, inmitten des Triumphgeredes vom „Ende der Geschichte“ immer
       noch realsozialistisch regiert, hat seit Langem Indien auf den zweiten
       Platz der popkulturellen, ästhetisch müffelnden Utopieprojektionen
       verwiesen.
       
       Während auf Kuba selbst zu Reggaeton, House und spanischem HipHop kräftig
       getanzt wird, schunkelt man sich im Rest der Welt zu den traditionellen
       Rhythmen des Buena Vista Social Club in die antiquierte
       Kuba-Glückseligkeit.
       
       Entsprechend niedrig waren die Erwartungen, als vor einigen Monaten die
       News die Runde machten, der Londoner Dubstep-Veteran Mala habe ein Album
       mit kubanischen Musikern aufgenommen. Was soll da schon kommen? Man
       fürchtete gar Dubstep als Soundtrack für die Kaffeebar – den Buena Vista
       Social Dub.
       
       ## Dubstep verbindet
       
       Dabei ist Mala, der bürgerlich Mark Lawrence heißt, eigentlich der Richtige
       für den Job. Als Mitglied der Londoner Digital Mystikz, auf Platten seines
       Labels DMZ und mit der gleichnamigen Partyreihe prägte er einen
       Dancefloor-Sound, den heute niemand mehr mit dem Label „Dubstep“ verbindet:
       Verhallte Rhythmen im Tempo um die 140 bpm, bei denen nur jede zweite
       Viertelnote betont wird. Darüber flirrende, minimale Synthesizer und in
       Echo getränkte Samples klassischer Dub- und Reggaetracks.
       
       Mala ist bei aller Klanginnovation immer Traditionalist geblieben, einer,
       der die Bassmeditationen der ersten Generation von jamaikanischen
       Dub-Produzenten als Blaupause für seinen eigenen unverwechselbaren Sound
       verwendet. Seit Jahren ignoriert er die Mikrotrends der Londoner
       Bassmusiken und verfeinert lieber seinen Stil.
       
       Auch sein neues Album, „Mala in Cuba“, reiht sich in die Erbfolge aus
       Halftime-Beats und Bassmeditationen ein. Als der BBC-DJ Gilles Peterson
       Mala fragte, ob er Lust auf eine Reise nach Kuba hätte, kannte dieser
       kubanische Musik noch kaum. Umgekehrt hatten die Kubaner Dubstep auch noch
       nicht gehört – den Internetzugang, der nötig ist, um gigabyteweise DJ-Mixe
       herunterzuladen, haben auf der Insel nur wenige.
       
       ## Ausgedehnte Jamsessions
       
       Mala legte an mehreren Orten auf Kuba als DJ auf und suchte Kontakt zu
       einheimischen Musikern. Gemeinsam spielten sie lange Jamsessions, die er
       aufgenommen und anschließend in seine Tracks beim Finetuning in London
       eingearbeitet hat.
       
       Reisen und Auftritte als Gastmusiker – das sind Ereignisse weit außerhalb
       der Komfortzone des Vinylfetischisten Mala, der mit Videospielen in seinem
       Zimmer im Südlondoner Viertel Brixton aufgewachsen ist. Aber die
       kubanischen Musiker passten sich schnell dem Tempo des britischen
       Produzenten an und spielten ihre traditionellen Stücke passgenau auf 140
       bpm. „Mala in Cuba“ ist ein konservatives Album geworden, das nur wenige
       von Malas Klangsignaturen aufgibt. Stattdessen werden die kubanischen
       Sounds und Melodien werden behutsam in sein Rhythmusgerüst integriert.
       
       Mal darf eine Gitarre den Part der flirrenden Synthesizer übernehmen, ein
       anderes Mal ergänzen sich Congas und trocken abgemischte Snares zu einem
       dieser typischen Mala-Rhythmen, die sich zugleich schleppend dahinziehen
       und dennoch vor Details überborden.
       
       Selbst der Gesang des kubanischen Musikers Dreiser Durruthy Bombale wird so
       gegen die Spuren der Girl-Group Sexto Sentido geschnitten, dass man ihn
       auch glatt für ein prozessiertes Sample halten könnte. Lediglich die
       klaustrophobische, Marihuana-induzierte Paranoia früherer Tracks von Mala
       ist einem entspannten Vertrauen in die eigenen Skills gewichen. Mala ist
       endgültig ’Lost in Music‘ – unter diesem Album wird sich kein Boden auftun.
       Macht aber eigentlich nichts.
       
       ## Mala, „Mala in Cuba" (Brownswood/ Rough Trade); live: Berlin,
       „Gretchen", 22.November.
       
       22 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Werthschulte
       
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