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       # taz.de -- Generalstreik in Spanien und Portugal: Wut auf die Eliten
       
       > Erstmals protestieren Arbeitnehmer in Portugal und Spanien gleichzeitig.
       > In beiden Ländern herrscht weitgehend Stillstand.
       
   IMG Bild: Auch in Murcia, Spanien, streikten die Leute.
       
       MADRID/LISSABON taz | Das war eine Premiere: Am Mittwoch traten Spanien und
       Portugal erstmals gemeinsam in einen eintägigen Generalstreik. Damit
       protestierten Gewerkschaften in den beiden Ländern der Iberschen Halbinsel
       gegen die von Brüssel verordnete Sparpolitik.
       
       Während in Spanien alle großen Gewerkschaften den Ausstand unterstützten,
       mobilisierte in Portugal hauptsächlich die postkommunistische CGTP. Die
       Führung der sozialistischen Schwesterorganisation UGT hatte sich dem Streik
       nicht angeschlossen – doch die Hälfte ihrer Unterorganisationen
       akzeptierten die Entscheidung nicht und riefen ihre Mitglieder ebenfalls
       auf die Straße. Die Demonstranten forderten nicht nur ein Ende der
       „brutalen“ Sparpolitik, die das kleine EU-Land „im Würgegriff“ hielte,
       sondern auch den Rücktritt der unterwürfigen Regierung in Lissabon.
       
       „Europa wird von den sogenannten Finanzmärkten, den Wirtschaftseliten und
       dem neoliberalen Kapitalismus gelenkt. Sie führen uns in den sozialen und
       wirtschaftlichen Selbstmord“, rief der Vorsitzende der spanischen CCOO,
       Ignacio Fernández Toxo, kurz vor Mitternacht Zehntausenden Gewerkschaftern
       im Zentrum Madrids zu. Europa werde von nicht demokratisch gewählten
       Institutionen regiert. Dies gelte auch für Bundeskanzlerin Merkel: „Die
       Deutschen haben sie gewählt – aber die Spanier, Portugiesen und Griechen
       nicht.“
       
       Nach Ende der Kundgebung zogen Tausende als Streikposten durch die Madrider
       Nacht. Bei einzelnen Auseinandersetzungen wurden bis zum Morgen in ganz
       Spanien 82 Menschen verhaftet. 34 wurden verletzt. Es war der zweite
       Generalstreik gegen die Regierung des konservativen spanischen
       Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und der neunte, seit Spanien in den
       1970er Jahren zur Demokratie zurückkehrte.
       
       ## Regierung tut, als ob nichts war
       
       Die Madrider Regierung sprach von „Normalität“ – doch die Gewerkschaften
       zeichnen ein anderes Bild. Demnach kam Spaniens Industrie bereits während
       der Nachtschicht fast völlig zum Erliegen. Auf den großen Flughäfen des
       Landes wurden mehrere Hundert Flüge gestrichen, die Häfen blieben
       geschlossen, die Großmärkte verzeichneten kaum Aktivität, die Müllabfuhr
       funktionierte ebenso wenig wie die Schulen und Universitäten. U-Bahn, Busse
       und Züge verkehrten nur mit einem Notfahrplan. Das öffentliche
       Regionalfernsehen sendete ein Standbild oder Notprogramme. In den
       Zeitungsredaktionen blieben die Schreibtische leer. Der Stromverbrauch ging
       – so der Netzbetreiber REE – um 18 Prozent zurück.
       
       Auch die meisten Geschäfte in den Innenstädten Spaniens ließen ihre
       Fensterläden unten. Nur einige große Kaufhäuser öffneten unter starkem
       Polizeiaufgebot ihre Türen. Doch die Kunden blieben weitgehend aus:
       Parallel zum Streik hatten die Gewerkschaften und einige
       Verbraucherverbände zu einem Konsumentenboykott gerufen.
       
       Im benachbarten Portugal sah es ähnlich aus. Der dritte Generalstreik gegen
       den dortigen konservativen Regierungschef Pedro Passos Coelho brachte
       Wirtschaft und Verwaltung weitgehend zum Erliegen. „Die Troika soll sehen,
       wie das Land war, bevor sie hierherkamen und wie es jetzt ist“, erklärte
       der CGTP-Generalsekretär Arménio Carlos.
       
       Die Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des
       Internationalen Währungsfonds (IWF), die mit eiserner Hand über Portugals
       Sparkurs wachen, befinden sich derzeit in Lissabon, um die Kassen der
       Regierung zu prüfen und über weitere Hilfszahlungen aus dem Rettungsfonds
       zu entscheiden.
       
       Spanien hat bisher nur EU-Hilfen für die Rettung der Banken und Sparkassen
       beantragt. Doch die hohen Zinsen für Staatsanleihen lassen ein Gesuch an
       den europäischen Rettungsschirm immer wahrscheinlicher werden.
       
       14 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR R. Wandler
   DIR S. Kamm
       
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