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       # taz.de -- Ausstellung „Fluxus“ in Dortmund: Der Damenschuh, Größe 38
       
       > Den Anweisungen der Künstler ist Folge zu leisten. „Fluxus – Kunst für
       > Alle“ im Museum Ostwall in Dortmund: „REINIGT DIE WELT VOM
       > ’AMERIKANISMUS‘!“
       
   IMG Bild: Allan Kaprow, Taking a Shoe for a Walk, 1989.
       
       Vor 100 Jahren wurde John Cage geboren und vor 50 Jahren gab es in
       Deutschland die ersten Fluxuskonzerte. Die Idee, diese Jubiläen zusammen zu
       feiern, hat in Dortmund zu zwei parallelen Veranstaltungen geführt. Das
       Museum Ostwall, jetzt im Dortmunder U, präsentiert „Fluxus – Kunst für
       Alle“. Am gleichen Ort besinnt sich der HartwareMedienKunstVerein mit
       „Sounds Like Silence“ auf das „stille Stück 4’33“ von John Cage.
       
       „REINIGT die Welt von der bourgeoisen Krankheit ’intellektueller‘,
       professioneller und kommerzialisierter Kultur, REINIGT die Welt von toter
       Kunst, Nachahmung, künstlicher Kunst, abstrakter Kunst, illusionistischer
       Kunst, mathematischer Kunst, REINIGT DIE WELT VOM ’AMERIKANISMUS‘!
       
       Fördert lebendige Kunst, Anti-Kunst, fördert Nicht-Kunst-Realität, so dass
       sie von allen Menschen verstanden wird, nicht nur von Kritikern, Stümpern
       und Fachleuten.“ Es war George Maciunas, amerikanischer Künstler
       litauischer Abstammung, der sich 1962 mit seinem Fluxusmanifest als
       Wortführer der Bewegung empfahl.
       
       Internationalität verband sich mit Intermedialität, Gattungsgrenzen hatten
       ausgedient. Als der Amerikaner John Cage bei seinen Kompositionen für
       „präpariertes Klavier“ das Klavier mit Metall, Holz und Gummi so
       bearbeitete, dass sich das Tasteninstrument in ein Perkussionsinstrument
       verwandelte, bewegten sich bildende KünstlerInnen in Richtung geräuschvolle
       Kunst. Nur an einer Vorschrift hielt man fest: Der Alltag muss in allem
       spürbar sein. Ein Affront gegen Museumskunst, die zur stillen Kommunikation
       einlädt.
       
       ## Hommage an zwei Fluxus-Sammler
       
       Im sechsten Stock des Dortmunder U vereinigt die Fluxus-Retrospektive rund
       300 Werke aus dem eigenen Bestand des Museums. Einzige Leihgabe sind von
       Fluxusakteuren produzierte Filme aus dem Pariser Centre Pompidou.
       
       Die Schau ist zugleich eine Hommage an zwei Sammler aus Remscheid, die dem
       Museum kontinuierlich geholfen haben: Der Unternehmer Wolfgang Feelisch hat
       seit 1968 bis heute Dauerleihgaben und Schenkungen zum Schwerpunkt Fluxus
       gegeben. Der 2009 verstorbene Ingenieur Hermann Braun begleitet die
       KünstlerInnen auch mit eigener Recherche zum Thema Fluxus und einem
       dokumentarischen Archiv.
       
       Im ersten Teil der Ausstellung kann sich der Besucher einen Überblick
       verschaffen über die verschiedenen Spielarten der Aktionskunst, über Ideen,
       Konzepte und neue Distributionsformen. Präsentiert wird das zumeist
       kleinteilige und oft empfindliche Material in hölzernen Kästen. Ein System,
       das höchsten Fluxustugenden wie Gleichwertigkeit, Flexibilität und
       Alltäglichkeit gerecht wird. Es gibt Hörproben aus Fluxuskonzerten, bei
       denen Cage und seine Schüler auf jede traditionelle Klang- und
       Rhythmusbildung verzichten.
       
       Einer von ihnen ist der vielseitige George Brecht, der von Cage den Begriff
       „event“ für Stücke mit kurzen Aktionsanweisungen übernahm. Ein beachtlicher
       Teil der Ausstellung besteht daher aus Eventpartituren, neben Fotografien
       und Relikten von Aufführungen. Die prinzipiell unbestimmt gelassenen
       Wortpartituren ließen den Fluxusakteuren viel Freiheit bei der
       Realisierung. Besuchern, auf die das Fluxusvirus übergesprungen ist, können
       einige der ursprünglichen Mitmachangebote nutzen.
       
       ## Mullbinden und Pflaster
       
       Den zweiten Teil der Ausstellung dominieren herausragende Fluxuskünstler
       mit ihren Arbeiten. Relikt des Happenings „Taking a shoe for a walk“ ist
       ein mit Mullbinden und Pflaster verarzteter Damenschuh, Größe 38. Allan
       Kaprow hatte folgende Regel für den Spaziergang aufgestellt:
       
       „Einen Schuh an einer Schnur durch die Stadt ziehen. / Von Zeit zu Zeit
       untersuchen, ob der Schuh sichtbar abgenutzt ist. / Ihren eigenen Schuh
       nach jeder Kontrolle in der Stärke mit Mullbinden oder Pflaster umwickeln,
       in der der Schuh an der Schnur Ihrer Ansicht nach abgenutzt ist. /
       Wiederholen: den eigenen Schuh weiter mit Mullbinden oder Pflaster
       bandagieren, bis am Ende des Spaziergangs der Schuh, den Sie ziehen, völlig
       verbraucht aussieht.“ Beim Spaziergang am 13. August 1989 in der Bonner
       Innenstadt war einer der Akteure der Sammler Wolfgang Feelisch.
       
       Das „Nadelkissenschach“ und andere auf unseren Spieltrieb zielende Objekte
       der Japanerin Takako Saito können selbst einen hartgesottenen
       Ausstellungsflaneur dazu bringen, stehen zu bleiben, um dieses oder jenes
       in die Hand zu nehmen. Um einiges deftiger ist da schon Wolf Vostells
       Aufforderung „Umgraben“.
       
       Es gibt einen riesigen, mit Torferde gefüllten Trog, viele Gummistiefel und
       Spaten. Wer den Spaten so tief in die Erde haut, dass ein Ton hörbar wird,
       kann an anderen Stellen andere Töne erzeugen. Wenn viele gleichzeitig auf
       diese Weise Torf stechen, dürfte ein Fluxuskonzert zu hören sein.
       
       ## „Fluxus – Kunst für Alle“, Muse- um Ostwall im Dortmunder U, bis zum 6.
       Januar 2013. Katalog ist in Vorbereitung.
       
       12 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Hoffmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Dortmund
   DIR John Cage
   DIR Arte
       
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