URI: 
       # taz.de -- Kolumne Nebensachen aus El Salvador: Zeitenwende als Big Business
       
       > Mayas haben in El Salvador nie gelebt. Das Ende des Maya-Kalenders am 21.
       > Dezember wird dennoch touristisch ausgeschlachtet.
       
       Mindestens die Hälfte aller Salvadorianer ist abergläubisch, und etwa
       ebenso viele sind erfinderisch, was das Geschäftemachen angeht. So zittern
       die einen und freuen sich die anderen, je näher der 21. Dezember rückt. An
       diesem Tag wird – wer weiß? – die Welt untergehen. Das ist ein Anlass zum
       Fürchten und eine Gelegenheit, Geschäfte zu machen.
       
       Am 21. Dezember 2012 endet ein Zeitzyklus der Maya, der 5.125 Jahre währte.
       So viele Jahre haben sie in ihren kreisförmig aufgebauten Kalender in Stein
       gehauen. Für mehr war kein Platz. So ist es für Abergläubische naheliegend,
       dass es danach keine Zeit mehr gibt und also auch keine Welt. Da hilft es
       nichts, dass Archäologen versichern, die Maya hätten es so nicht gemeint.
       
       Nun ist El Salvador von der Zeitenwende allenfalls am Rande betroffen. Aus
       präkolumbianischer Zeit blieben gerade zwei Pyramiden und ein halb
       ausgegrabenes Dorf. Maya haben hier nicht gelebt, sondern Lenca und
       Pipiles. Pipiles gibt es heute nicht mehr und Lenca nur noch im
       benachbarten Honduras.
       
       In El Salvador wurde die Kultur der Indígenas 1932 verboten. Wer eine
       Tracht trug oder eine indigene Sprache sprach, kam ins Gefängnis. Heute
       beherrschen nur noch wenige Alte das früher gesprochene Nahuatl.
       
       Alles, was an indianischer Kultur neu erfunden wurde, ist Folklore für den
       Tourismus, die Dollars ins Land bringen soll. Man erwarte zur Zeitenwende
       ungewöhnlich viele Besucher, sagte Tourismusminister José Napoleón Duarte
       jüngst. Sie sollen mit Lichtshows an den Pyramiden und in dem
       untergegangenen Dorf erfreut werden, am Strand des Badeorts La Libertad
       würden vier neue Maya-Pyramiden errichtet. Und ein gigantischer Christbaum,
       um, so der Minister, „die Welt der Maya mit dem Weihnachtsfest zu
       verbinden“. Eine Verbindung gibt es längst: Es waren Christen, die vor 500
       Jahren die Maya niedermetzelten und die die Überlebenden bis heute
       unterdrücken.
       
       Im benachbarten Guatemala stellen Maya noch immer die Hälfte der
       Bevölkerung. Dort sind die wichtigen archäologischen Stätten, sie werden
       zum Teil bis heute kultisch benutzt. Die dortigen Geschäftemacher haben die
       Maya nicht gefragt, ob sie ihre heiligen Orte für touristische Darbietungen
       nutzen dürfen. Sie haben es beschlossen. Viele Maya sind nicht
       einverstanden und wollen Besucher nicht hereinlassen. Die könnten nach El
       Salvador weiterreisen. Dort gibt es niemanden mehr, der sich wehren könnte.
       
       12 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Toni Keppeler
       
       ## TAGS
       
   DIR El Salvador
   DIR Maya-Kalender
   DIR El Salvador
   DIR Maya-Kalender
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Präsidentschaftswahlen in El Salvador: Den Armen die Hand gereicht
       
       Die erste Linksregierung in der Geschichte El Salvadors hat viele
       Sozialprogramme aufgelegt. Einen strukturellen Wandel hat sie nicht
       geschafft.
       
   DIR Die Wahrheit: Die Kälte nach der Wahl
       
       Neues vom Mayakalender: Der Weltuntergang des Barack Obama.
       
   DIR Die Wahrheit: Rosiges Ende
       
       Weltuntergänge am laufenden Band.