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       # taz.de -- Bildungsaktion „One Laptop per Child“: Tablet statt Lehrer?
       
       > Ein Experiment in Äthiopien zeigt, wie kleine Autodidakten mit
       > Tablet-Computern umgehen. Ob die Kinder damit auch Lesen lernen können,
       > bleibt abzuwarten.
       
   IMG Bild: Die Kinder fanden nicht nur selbst heraus, wie man die Computer einschaltet, sie stürzten sich auch schnell auf die vorinstallierten Inhalte.
       
       „Es gibt mittlerweile 100 Millionen Kinder, die nie die erste Klasse
       besuchen werden“, sagt Nicholas Negroponte. Der Leiter des One Laptop Per
       Child-Projekts (OLPC) hat in den letzten Jahren über drei Millionen
       speziell für Kinder entwickelte Kleincomputer an Schulen in der ganzen Welt
       verteilt. Mit ihnen soll gerade den benachteiligten Kindern die Chance
       gegeben werden, sich selbst eine Bildung zu erarbeiten, die ihnen Anschluss
       an die industrialisierte Welt bietet.
       
       Dass er damit die Ärmsten der Armen nicht erreicht, hat Negroponte keine
       Ruhe gelassen. Seine Organisation hat sich also auf ein neues Experiment
       eingelassen: Statt ihre Computer nur an Schulen zu schicken, hat er die
       Kinder in zwei Dörfer in Äthiopien mit Tablet-Computern ausgestattet. Und
       sie einfach machen lassen.
       
       Welche Herausforderung der Umgang mit einem modernen Computer für die
       Kinder ist, beschreibt Negroponte auf der [1][EmTech-Konferenz] am
       Massachusetts Institute of Technology (MIT) so: „Sie haben nie ein Wort
       gesehen. Keine Flasche mit einem bedruckten Etikett, kein Straßenschild,
       kein bedrucktes Papier“. In diese Umgebung – so zumindest die Erwartung aus
       westlicher Sicht – müsste ein komplexes System wie ein Computer kaum zu
       begreifen sein.
       
       Doch die Kinder fanden nicht nur selbst heraus, wie man die Computer
       einschaltet, sie stürzten sich auch schnell auf die vorinstallierten
       Inhalte, von Musik, Filmen bis hin zu Büchern. Negroponte berichtet auch
       stolz, dass die Kinder die Rechner auf Android-Basis „gehackt“ hätten.
       
       ## Kein nachhaltiger Erfolg
       
       Sie aktivierten die eingebaute Kamera, obwohl dies von den
       OLPC-Angestellten eigentlich nicht vorgesehen war, und sie schafften es
       ihre Tablets individuell zu konfigurieren. Innerhalb von Wochen hätten die
       Kinder, die nie zuvor ein Wort Englisch gehört haben, auch ABC-Lieder
       gesungen, erzählt Negroponte.
       
       Was sich nach einem unheimlichen Erfolg anhört, ist aber in Wahrheit noch
       keiner. Denn nach wie vor können die Kinder nicht lesen – ob sie aus der
       Erfahrung mit den Rechnern, die weit mehr kosten als sich die Eltern jemals
       leisten könnten, letztendlich profitieren können, stehen in den Sternen.
       
       So haben sich bereits beim OLPC-Projekt [2][Zweifel] angemeldet, ob das
       Projekt überhaupt nennenswerten Einfluss auf die Schulleistungen hat. Um
       den Fortschritt der Kinder in Äthipien zu beobachten, wird jede Aktivität
       mit dem Computern von den Wissenschaftlern genau ausgewertet. Sie erhoffen
       sich Erkenntnisse, wie man in Zukunft besser Wissen vermitteln kann – auch
       in Ländern wie den USA.
       
       Negroponte will weg von diesem klassischen Schulmodell. Ein Erfolg des
       Projekts wäre natürlich Wasser auf die Mühlen derer, die in Präsenz-Schulen
       ein Relikt aus der Vergangenheit sehen und am liebsten alle Kinder nur noch
       über Onlinekurse Faktenwissen vermitteln. Negroponte erklärt seinen Ansatz
       so: „Ich glaube nicht, dass das MIT lehren sollte, ich glaube auch nicht
       dass Sie das wollen.“
       
       ## Weg vom Frontal-Unterricht
       
       Stattdessen sieht er in der Universität einen Ort der Forschung, in dem
       Studenten zwar auch lernen, aber eben nicht im immer gleichen
       Frontal-Unterricht. Hier sollen sie Wissen anwenden und lernen, sich neue
       Fähigkeiten zu erwerben, aber keine Daten und Vokabeln pauken. „Wer lesen
       gelernt hat, kann lernen zu lesen um neues zu lesen“, sagt der
       Wissenschaftler.
       
       Eine weitere Chance sieht er darin, den Kindern Bildung und Verständnis zu
       vermitteln: Denn im Gegensatz zum klassischen Lehrer-Schüler-Verhältnis hat
       er die Erfahrung gemacht, dass auch die Jüngsten Wissen vermitteln können.
       „In der Arbeit bei OLPC habe ich erlebt, dass Kinder ihren Eltern Lesen und
       Schreiben beibringen“, sagt Negroponte.
       
       7 Nov 2012
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.technologyreview.com/view/429206/emtech-preview-another-way-to-think-about-learning/
   DIR [2] /One-Laptop-per-Child/!91479/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Torsten Kleinz
       
       ## TAGS
       
   DIR Äthiopien
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   DIR Kinder
       
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