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       # taz.de -- Kommentar Frankreich: Merci, Gerhard!
       
       > Frankreich will sein Sozialmodell verteidigen und gerät dabei in
       > Rückstand. Hollande kann sich beim Ex-Kanzler für die Ratschläge des
       > „Sozialdumping“ bedanken.
       
       Zwei Schritte vorwärts, einer zurück. Das ist die Choreografie der
       französischen Regierung in der Krise. Die Musik dazu ließ sie sich vom
       früheren EADS-Chef Louis Gallois komponieren. Dessen Empfehlung, die
       Produktionskosten durch geringere Arbeitgeberbeiträge zur Finanzierung der
       Sozialversicherung zu senken, entspricht im Grunde der langjährigen
       Hauptforderung des französischen Unternehmerverbands Medef.
       
       Tatsächlich steckt die französische Regierung unter Premier Jean-Marc
       Ayrault in der Zwickmühle. Um Schulden abzubauen, will sie einerseits die
       Abgaben für große Unternehmen und die reichsten Steuerpflichtigen erhöhen.
       Die große Mehrheit hingegen sollte entlastet werden.
       
       Jetzt aber kündigt die Regierung an, dass sie andererseits den Unternehmen
       im Interesse ihrer Konkurrenzfähigkeit die Steuern teilweise erlassen muss;
       die Kosten dafür (20 Milliarden Euro) sollen in Form einer höheren
       Mehrwertsteuer wieder eingespielt werden, den Rest soll eine Senkung der
       Ausgaben um zehn Milliarden Euro einbringen. Das ist eine Rechnung, die
       François Hollande noch vor wenigen Wochen als Irrweg verworfen hatte. Seine
       Wähler erwarten, dass die Regierung ihr Programm und nicht das der
       Arbeitgeber und der konservativen UMP umsetzt.
       
       Die Wettbewerbsfähigkeit ist aber ein echtes Problem für Frankreich. Wer
       Hollandes Politik heute von Deutschland aus kritisiert, sollte dabei nicht
       vergessen, dass unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder durch Reformen und
       Lohnmäßigung die deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten der europäischen
       Konkurrenten gestärkt wurde.
       
       Frankreich will sein Sozialmodell verteidigen und gerät dabei in Rückstand.
       Wenn Hollande wie zurzeit vom Exkanzler Ratschläge in Sachen
       Strukturreformen erhält, kann er sich bei ihm auch gleich für die kommenden
       Folgen dieses „Sozialdumpings“ bedanken.
       
       6 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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