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       # taz.de -- Das Ende der „Black Cabs“: Der Londoner Wendekreis
       
       > Die schwarzen Taxen in London verschwinden. Falsche
       > Unternehmensentscheidungen sind ein Grund. Das schadet aber nicht.
       
   IMG Bild: Umweltschutz statt Tradition: Londons Taxen werden grün.
       
       Das Londoner Taxi, dieses „Black Cab“, dieses schwere schwarze Taxi, ist
       ein Überbleibsel aus der traditionslastigen Vergangenheit dieser Stadt, die
       Tradition gerne auch mal über Vorschriften tradiert. Schon 1679 etwa wurde
       angeordnet, dass sich Droschkenkutscher benehmen sollen. Seit der
       Motorisierung der Personenbeförderung Anfang des 20.
       
       Jahrhunderts wiederum macht der vorgeschriebene Wendekreis der Taxis in
       London, der nur 7,62 Meter betragen darf, Furore. Bis heute scheitern viele
       Fahrzeughersteller daran. Die Londoner nannten das motorisierte Taxi
       übrigens „Hummingbird“ – Kolibri, denn verglichen mit dem Kutschenlärm, kam
       es den Leuten damals fast geräuschlos vor.
       
       Obwohl die Taxen „Black Cab“ – schwarze Kabinen – heißen, ist die Farbe
       kein Muss. Vielmehr war das 1948er Modell, ein Austin FX3, eben schwarz und
       so blieb es. Der und dessen Nachfolger, der FX4, sind jene Autos, die
       weltweit als „Londoner Taxis“ bekannt wurden. Bis 1997 wurden sie nahezu
       unverändert produziert. Dann bekamen sie einen moderneren Nachfolger.
       
       Ende Oktober ging der Hersteller Manganese Bronze allerdings bankrott. Wer
       jetzt ein Taxi kaufen will, muss den 2008 von der Londoner Taxibehörde
       zugelassenen umgebauten Mercedes Vito erwerben. Nächstes Jahr könnte noch
       ein Nissan dazukommen. Er sieht fast so aus wie das New Yorker „Yellow
       Cabs“ – das gelbe Taxi – jedoch mit einem Wendekreis, der den Londoner
       Vorschriften entspricht.
       
       ## Nur Aserbaidschan will die Autos
       
       John Bradley, der gebrauchte Taxis weltweite verkauft, meint, dass
       Manganese Bronze falsche Entscheidungen getroffen hätte, als sie auf dem
       Weltmarkt expandieren wollten. Mit Ausnahme von Aserbaidschan, das letztes
       Jahr tausend Fahrzeuge orderte, gab es keine Nachfrage. Außerdem habe
       Manganese Bronze nicht schnell genug auf veränderte Umweltauflagen
       reagiert.
       
       Ende des Jahres 2010 hat der Londoner Bürgermeisters Boris Johnson neue
       Abgasrichtlinien veröffentlicht. Bis 2020 soll die Taxi-Flotte der
       britischen Hauptstadt kein Kohlendioxid mehr ausstoßen. Derzeit sind die
       Londoner Taxis für über dreißig Prozent der durch Fahrzeuge verursachten
       Luftverschmutzung verantwortlich und übersteigen die EU-Grenzwerte stark.
       Gerade im Stadtzentrum und an Hauptverkehrsadern seien die
       Abgaskonzentrationen so hoch, dass sie gesundheitsschädlich sind.
       
       Nach Messungen der Weltgesundheitsbehörde WHO ist der Stickoxidgehalt in
       der Londoner Luft höher als in jeder anderen europäischen Stadt. Zusätzlich
       zur Luftverschmutzung beschweren sich viele Londoner über die schlecht
       gedämpften Motoren der alten Taxis. Sie seien so laut, dass man sie schon
       aus der Ferne höre. Deshalb hat der Bürgermeister 2011 auch ein Fahrverbot
       für Taxen, die älter als fünfzehn Jahre sind, verfügt.
       
       Ab Januar 2013 also werden keine der alten schwarzen Taxen der vor 1997
       gebauten FX-Modelle mehr auf Londons Straßen fahren, und auch die
       nachfolgende Baureihe wird langsam verschwinden. Denn sowohl das
       Mercedestaxi als auch das von Nissan haben deutlich niedrigere Abgaswerte.
       
       ## Wasserstoff durch Müllverbrennung
       
       Zuletzt hatte die Firma Manganese Bronze, die die alten Taxen herstellte,
       übrigens an einem hybriden Wasserstoff-Elektro-Modell gearbeitet. Während
       der Olympischen Spiele wurden fünf Prototypen getestet. Denis Hayter,
       dessen Firma Intelligent Energy die Brennstoffzellen lieferte, versicherte,
       dass trotz des Bankrotts von Maganese Bronze ein serienmäßig hergestelltes
       hybrides Londoner Taxi für 2016 geplant werde.
       
       Dafür müsse nun nur ein neuer Fahrgestellproduzent gefunden werden. Um die
       Energieumwandlung CO2-neutral zu halten, setzt Hayter auf
       Wasserstoffgewinnung mit Hilfe von Energie durch Müllverbrennung, denn Müll
       gäbe es in London wirklich genug.
       
       Steve McNamara, Generalsekretär des Londoner Taxifahrerverbands, glaubt an
       so ein umweltfreundlicheres Auto, das dem alten Londoner Taxi entspricht.
       Auf der Webseite der Taxifahrervereinigung LDTA sieht man Bilder eines
       Elektrotaxiprototyps. McNamara redet leidenschaftlich davon: Da die
       Londoner Verkehrsbehörde überall in London Elektrotankstellen baue, sei es
       eine plausible Lösung für Taxifahrer. Die Reichweite von 80 Kilometern
       genüge und die Effizienz sei fantastisch
       
       Eine Sprecherin der englischen Niederlassung von Nissan bestätigte, dass
       dort ebenfalls bereits an einer elektrischen Version des Londoner
       Nissantaxis gearbeitet werde. Die grünen Abgeordneten des Londoner
       Stadtparlaments (GLA), Darren Johnson und Jenny Jones, behaupten aber, dass
       mehr getan werden könnte, vor allen um Taxis, die bereits zugelassen sind,
       umweltfreundlicher zu machen.
       
       Ein Vorschlag für ein nachrüstbares Hybridsystem, dem der Bürgermeister
       bereits zugestimmt hatte, mit dem die Taxen im Stand elektrisch statt mit
       Sprit versorgt werden sollten, wurde durch mangelhafte Ausführungen
       verpfuscht, denn sie verstießen gegen das Patentrecht eines Herstellers.
       
       ## Grüne Taxen
       
       Aber die Idee sollte wieder aufgenommen werden, verlangt Jones. Zudem
       plädieren die Vertreter der Grünen dafür, dass die Vorschriften für die
       Londoner Taxis gelockert werden. „Dann könnten mehr Hersteller Fahrzeuge
       anbieten, die mit den für das Jahr 2020 gefassten Umweltzielen vereinbar
       wären“, meint Jones.
       
       Simon Birkett vom Netzwerk „Saubere Luft für London (Clean Air London)“
       stimmt dem zu: „Auch auf den vorgeschriebenen kleinen Wendekreis sollte
       deshalb verzichtet werden“, sagt er. Außerdem sollten alle Taxen die
       Abgasnorm „Euro 6“ einhalten oder sie sogar übertreffen. Die ab Januar
       geltende Norm „Euro 6“ begrenzt erstmals den Stickoxidgehalt von
       Dieselmotoren.
       
       Obwohl so mancher sich noch über den Verlust der „traditionellen“ Taxis
       beklagt, bedeutet dieses Ende endlich den Aufbruch in eine neue,
       umweltfreundlichere Ära auf Londoner Straßen. Schwarz wird grün. Aber da es
       bekanntermaßen in England nicht traditionslos zugehen darf, muss man
       annehmen, dass die leisen, elektrobetriebenen Taxis der Zukunft zum ersten
       Mal seit hundert Jahren wieder „Hummingbird“ heißen könnten.
       
       5 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn
   DIR Daniel Zylbersztajn
       
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