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       # taz.de -- Liste mit Steuerflüchtlingen veröffentlicht: Griechischer Verleger freigesprochen
       
       > Kostas Vaxevanis muss für die Veröffentlichung einer Liste von
       > Steuersündern doch nicht ins Gefängnis. Jetzt ermittelt die Justiz gegen
       > die zuständigen Behörden.
       
   IMG Bild: Hat seinen Job gut gemacht: Kostas Vaxevanis wurde freigesprochen.
       
       ATHEN taz | Alle griechischen Journalisten haben diesem Urteil
       entgegengefiebert: Zur Entscheidung wurde nämlich eine für sie
       richtungweisende Frage vorgelegt: Darf ein Journalist die Namen auf einer
       bis dahin geheimen Liste mutmaßlicher Kontoinhaber bei einer Schweizer
       Großbank publizieren, die möglicherweise Steuern hinterzogen haben? Und
       zwar auch dann, wenn keine konkreten Verdachtsmomente vorliegen? Ja, ein
       Journalist darf das. Das hat das Landgericht Athen am Donnerstagabend
       entschieden.
       
       Dieser Journalist ist der 46-jährige Kostas Vaxevanis, einstiger
       Kriegskorrespondent und TV-Moderator im staatlichen Fernsehen und derzeit
       Herausgeber und Chefredakteur des Athener Politmagazins Hot Doc. Nicht alle
       mögen seinen streitbaren Charakter, aber niemand bezweifelt, dass er ein
       Reporter mit Leib und Seele ist, der sich durch keine Schwierigkeiten
       abschrecken lässt. „Diese Entscheidung erlaubt uns Journalisten, unsere
       Arbeit zu tun“, erklärte Vaxevanis nach der Urteilsverkündung.
       
       Die Athener Staatsanwaltschaft hatte auf schuldig plädiert. Vaxevanis habe
       das Land zum Kolosseum verwandeln wollen, und das ausgerechnet in einem
       Zusammenhang, in dem die Gesellschaft nach Blut dürstet, klagte der
       zuständige Staatsanwalt. Im Falle einer Verurteilung hätten Vaxevanis bis
       zu zwei Jahre Haft und eine Geldstrafe gedroht.
       
       Vor einer Woche hatte Vaxevanis eine Liste veröffentlicht, auf der
       insgesamt 2.059 Namen mutmaßlicher Kontoinhaber bei der Schweizer Filiale
       der Großbank HSBC stehen, die möglicherweise unversteuerte Gelder aus
       Griechenland in die Alpenrepublik überwiesen haben. Damit hatte Vaxevanis
       nach eigenen Angaben die legendäre „Lagarde-Liste“ ans Licht gebracht,
       benannt nach der ehemaligen französischen Finanzministerin und heutigen
       IWF-Chefin Christine Lagarde. Die hatte im Jahr 2010 die Namen ihrem
       griechischen Amtskollegen Giorgos Papakonstantinou zukommen lassen, der der
       Angelegenheit offenbar nicht nachging.
       
       Die Staatsanwaltschaft wurde erst wenige Stunden nach der Veröffentlichung
       durch Hot Doc aktiv. Sie erließ einen Haftbefehl, allerdings nicht gegen
       mutmaßliche Steuersünder, sondern gegen Vaxevanis wegen Verletzung des
       Datenschutzes. Der Chefredakteur wurde vorübergehend festgenommen.
       
       ## Gespaltene Nation
       
       Seitdem spaltet das Verfahren die Nation: Die einen behaupten, es sei
       richtig, dass der Journalist ein Zeichen setzt gegen Korruption und für
       Steuergerechtigkeit. Die anderen meinen, die Veröffentlichung der Namen
       komme einer Diffamierung gleich, schließlich herrsche auch in Griechenland
       freier Kapitalverkehr, jeder dürfe sein Geld in die Schweiz oder ins
       sonstige Ausland schicken.
       
       So manche kritisierten auch die Annäherung des sonst betont unabhängigen
       Journalisten an die Linksopposition: Zwei Abgeordnete der Radikalen Linken
       hatten Vaxevanis am Wochenende zum Staatsanwalt begleitet. Zu seinen
       Anwälten gehörte außerdem die wortgewandte Linksabgeordnete Zoe
       Konstantopoulou, Tochter des Parteigründers Nikos Konstantopoulos.
       
       Wie auch immer: Die Argumentation der Verteidiger, man wolle nur die
       gesamte öffentliche Dimension des Falls aufdecken und keineswegs
       Datenschutzrechte einzelner Personen verletzen, kam beim Richter offenbar
       an. Mitentscheidend dürfte auch gewesen sein, dass mehrere Personen, die
       auf der Liste aufgeführt werden, bereit waren, vor Gericht als Zeugen für
       Vaxevanis auszusagen. Zu ihnen gehörte auch ein Mitglied der renommierten
       griechischen Reederfamilie Martinos: Er habe in der Tat sein Geld in der
       Schweiz, aber er habe nichts zu befürchten, da alles mit rechten Dingen
       zugegangen sei, erklärte der Mann.
       
       2 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Papadimitriou
       
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