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       # taz.de -- Britischer EU-Haushalt gekürzt: Koalition gegen den EU-Größenwahn
       
       > Premier Cameron hat eine Abstimmung zum EU-Haushalt verloren.
       > Labour-Opposition und Tory-Rechte haben sich plötzlich verbündet.
       
   IMG Bild: Der britische Premier David Cameron geht geschwächt aus der Haushaltabstimmung.
       
       BELIN taz | Großbritanniens konservativer Premierminister David Cameron hat
       in der Europapolitik eine Schlappe erlitten. Mit 307 gegen 294 stimmten die
       Abgeordneten im britischen Unterhaus am Mittwochabend für den Antrag eines
       konservativen Hinterbänklers, Großbritannien möge in den
       EU-Haushaltsverhandlungen für reale Ausgabenkürzungen eintreten. Cameron
       wollte eigentlich grünes Licht für seine eigene Forderung, die die EU
       lediglich zum Einfrieren ihrer Ausgaben auffordert.
       
       Auf EU-Ebene gilt schon Camerons Position als euroskeptischer Extremismus,
       aber nun hat das britische Parlament eine noch radikalere Haltung bezogen –
       und zwar parteiübergreifend. Die Labour-Opposition verbündete sich nämlich
       mit dem euroskeptischen rechten Flügel der Konservativen, um der
       konservativ-liberalen Regierungskoalition eins auszuwischen. Offenbar
       erwartet sich Labour Vorteile davon, Front gegen die EU zu machen – ein
       Indiz für die Stimmung der Briten, die unter einer harten Sparpolitik
       ächzen und nicht einsehen, wieso die EU mehr Geld bekommen soll.
       
       Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen auf einem Gipfel am 22.
       November diskutieren, wie viel Geld sie der EU in den sieben Jahren ab 2014
       zur Verfügung stellen. Die EU-Kommission will einen Ausgabenzuwachs von
       real 5 Prozent. Weil alle EU-Regierungen zu strikter Haushaltsdisziplin und
       zu teils massiven Kürzungen angehalten sind, stößt diese Forderung auf
       breites Unverständnis, und David Cameron hat sein Veto dagegen angekündigt.
       Auf dem Tisch liegt ein deutscher Kompromissvorschlag, der die Ausgaben der
       EU auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts aller EU-Staaten begrenzt und
       ihre Höhe damit an die Wirtschaftsentwicklung koppelt. Dies könnte
       langfristig in Einklang mit Camerons Forderung gebracht werden.
       
       ## Nutzen und Schaden
       
       Das britische Parlamentsvotum geht noch weiter. Doch Cameron kann daraus
       Nutzen ziehen, weil er jetzt in Europa darauf verweisen kann, dass seine
       Haltung gemessen an der skeptischen Stimmung an der Heimatfront milde ist.
       Bindend ist das Votum für ihn sowieso nicht.
       
       Innenpolitisch ist Camerons Niederlage hingegen ein Anzeichen von Schwäche.
       53 der 304 konservativen Abgeordneten stimmten gegen ihren Premierminister.
       Es war die erste wichtige Abstimmung im Parlament seit Amtsantritt des
       neuen konservativen Fraktionsführers George Young und beweist dessen Mangel
       an Autorität. Sein Vorgänger Andrew Mitchell war erst am 19. Oktober auf
       Druck der Fraktion zurückgetreten, nach nur einem Monat im Amt. Er galt als
       untragbar, nachdem er schon als Entwicklungsminister abtreten musste, weil
       er Polizisten beschimpft hatte. Die konservativen Parlamentarier beweisen
       wiederholt, dass sie sich von Cameron nichts vorsetzen lassen.
       
       Dass Cameron derzeit so viele EU-kritische Initiativen ergreift wie nie,
       geht dabei fast komplett unter. Er ist dabei, Großbritannien aus der
       gemeinsamen EU-Innen- und Justizpolitik herauszulösen, und er wehrt sich
       beinhart und erfolgreich gegen jedes Ansinnen, Integrationsprojekte der
       Eurozone auch auf den Finanzplatz London auszudehnen.
       
       Er gilt dabei aber weniger als Gestalter denn als Getriebener. Sein rechter
       Parteiflügel, der ihn immer wieder zu mehr Rückgrat gegenüber der EU und
       gegenüber seinem liberalen Koalitionspartner auffordert, hat die
       öffentliche Meinung hinter sich. In Nachwahlen auf kommunaler Ebene stürzen
       derzeit regelmäßig die Liberalen tief ab, während die für einen Austritt
       Großbritanniens aus der EU plädierende Ukip (United Kingdom Independence
       Party) regelmäßig zweistellige Ergebnisse holt.
       
       1 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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