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       # taz.de -- Nachruf Terry Callier: Es ist dir egal, es ist dir egal
       
       > Sein Produzent nahm das Mastertape mit zu Indianern, sein Album fand sich
       > im Schaufenster eines Antiquitätenladens. Der Soulsänger Terry Callier
       > ist tot.
       
   IMG Bild: Terry Callier, Chicagoer Soulsänger mit Faible für Jazz und Folk.
       
       Es gibt keine ergreifendere Hookline als „You don’t care“, der Refrain aus
       dem gleichnamigen Song auf Terry Calliers drittem Album, „What Color Is
       Love?“ (1973). Er handelt von der Klage eines Liebenden, dessen Zuneigung
       verschmäht wird. Callier, der Chicagoer Soulsänger mit Faible für Jazz und
       Folk, dreht die missliche Lage seines Protagonisten um. Statt ein
       beleidigter Schmachtfetzen zu sein, gerät das im Refrain ad infinitum
       wiederholte „You don’t care“ (Es ist dir egal) zum triumphalen Appell,
       allen Nackenschlägen zum Trotz weiterzumachen.
       
       Und Terry Callier, der auf der Northside von Chicago aufgewachsen war,
       machte weiter, egal welche Nackenschläge er einzustecken hatte. In der
       Highschool fing er an, in Doo-Wop-Gruppen zu singen. Als er 17 war,
       engagierte ihn das Chicagoer Blues-Label Chess Records als Studiomusiker,
       seine erste Single wurde ein lokaler Hit, aber Calliers Mutter schob der
       Musikerkarriere zunächst einen Riegel vor.
       
       Letztlich vergeblich. Obwohl er mit seinen ersten drei Alben Erfolge
       gefeiert hatte, ließ Calliers Plattenfirma ihren Schützling Ende der
       Siebziger auffällig schnell in der Versenkung verschwinden. Callier
       entschloss sich, einen Job als Programmierer anzunehmen, um die Erziehung
       seiner Tochter Sundiata zu sichern.
       
       Angefangen hatte es damit, dass sein Debütalbum, „The New Folk Sound of
       Terry Callier“, 1968 erst mit zweijähriger Verspätung veröffentlicht wurde.
       Der Produzent hatte die Mastertapes zu einem Indianerstamm mitgenommen, von
       dem er sich spirituelle Heilung erhoffte.
       
       ## Das Albumcover im Schaufenster
       
       Von der Existenz des Albums wusste Callier nur, weil sein Bruder das
       Albumcover im Schaufenster eines Antiquitätenladens entdeckt hatte. In den
       frühen Neunzigern wurde Callier von britischen Acid-Jazz-Fans wieder
       ausfindig gemacht, und eine Renaissance setzte ein, in der Calliers
       intuitivem Verständnis von Soul, Folk und Jazz endlich die nötige
       Aufmerksamkeit zuteil wurde.
       
       Callier, der Gitarre spielte und sang, war in den Sechzigern Teil des
       Songwriters Workshop seines Soulkollegen Jerry Butler. Zusammen mit dem
       Produzenten Charles Stepney wurden dort wegweisende Alben der Chicagoer
       Soulszene entwickelt. Aber Callier war nie der „Ordinary Joe“, den er in
       einem seiner Songs besungen hatte.
       
       Auf dem College wurde er mit Bob Dylans Folk sozialisiert. Sein
       Schlüsselerlebnis war ein Konzert des Jazzsaxofonisten John Coltrane, dem
       er 1962 beigewohnt hatte. „Ich entdeckte durch Coltranes Intensität, dass
       sich alle Seiten des Lebens mit Musik abbilden lassen. Die schönen und die
       hässlichen, die göttlichen und die profanen.“ Am Sonntag ist Terry Callier
       im Alter von 67 Jahren nach langer Krankheit in Chicago gestorben.
       
       29 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Weber
       
       ## TAGS
       
   DIR Soul
   DIR Musik
   DIR Neues Album
   DIR Punk
       
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