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       # taz.de -- Der FC St. Pauli verlässt die Abstiegszone: Erster Heimsieg für die "Frontzecke"
       
       > St. Pauli dreht in der 2. Fußball-Bundesliga einen 0:2-Rückstand gegen
       > Dresden noch in ein 3:2 um.
       
   IMG Bild: Am Anfang mausetot, am Ende quicklebendig: Die Spieler des FC St. Pauli beim Torjubel.
       
       HAMBURG taz | „Wir waren nach 35 Minuten mausetot“, gab Michael Frontzeck,
       der „Neue“ am Millerntor, nach der Partie unumwunden zu. Bis zu diesem
       Zeitpunkt hatte der Trainer ein völlig ideenloses Spiel seiner Mannschaft
       gesehen, die sich vorne immer wieder an der gut gestaffelten Abwehr von
       Dynamo Dresden festrannte und sich bei den wenigen schnellen Kontern der
       Dresdner ungeordnet und schlafmützig präsentierte.
       
       Die Konsequenz: Nach einer halben Stunde lagen die Hamburger bereits mit
       0:2 hinten, ohne selbst auch nur eine einzige Chance herausgespielt zu
       haben. Nach 18 Minuten war der quirlige Idir Ouali „Schnecke“ Jan-Philipp
       Kalla – der in dieser Szene seinem Spitznamen alle Ehre machte – enteilt
       und hatte keine Mühe, den Ball an Torhüter Philipp Tschauner vorbei ins
       Netz zu schieben. Zehn Minuten später bekam die ungeordnete Hamburger
       Innenverteidigung das Leder einfach nicht aus der Gefahrenzone, Tobias
       Jänicke schob den Ball in Richtung Torlinie, der von allen Gegenspielern
       verlassene Stoßstürmer Mickaël Poté drückte ihn schließlich aus einem Meter
       über dieselbe.
       
       Als Florian Kringe eine Viertelstunde später knapp über den Dresdner Kasten
       köpfte, ging das erste Mal ein Raunen durch das mit 21.045 Zuschauern
       ausverkaufte Stadion.
       
       Nur drei Chancen hatten die defensiv eingestellten Dresdner sich erspielt,
       zwei Tore daraus gemacht. Dass es aber noch effektiver geht, bewies
       halbzeitübergreifend St. Pauli: Innerhalb kurzer Zeit – zwischen
       Spielminute 45 und 55 – erspielten sich die nun besser ins Spiel kommenden,
       aber längst nicht drückend überlegenen Hamburger drei Möglichkeiten, die
       sie alle drei mit einem Tor abschlossen.
       
       Erst nahm der wiedergenesene Kapitän Fabian Boll direkt vor dem Pausenpfiff
       einen Pass von Akaki Gogia im Strafraum mit dem Rücken zum Tor stehend an,
       drehte sich um die eigene Achse und zimmerte den Ball zum 1:2-Anschluss in
       den Kasten. „In der Box bin ich am gefährlichsten“, kommentierte der
       Defensivakteur augenzwinkernd seine neu entdeckten Stürmerqualitäten.
       
       Zehn Minuten später war es erneut Boll, der den exakten Pass zum richtigen
       Zeitpunkt in die Schnittstelle der Abwehr spielte, wo der bis dato
       unsichtbare Daniel Ginczek lauerte und zum 3:2 Führungstreffer abschloss.
       Zuvor hatte Verteidiger Christopher Avevor den ersten Eckball nach der
       Pause wuchtig zum zwischenzeitlichen Ausgleich eingeköpft.
       
       War das nun schon Michael Frontzecks Handschrift? Vielleicht insofern, als
       das der Trainer, der am Millerntor zärtlich "Frontzecke" genannt wird,
       seinen Spielern wieder Selbstbewusstsein eingetrichtert hat; das
       Selbstbewusstsein, das man eben braucht, um aus drei Chancen drei Tore zu
       machen. Doch spielerisch agierte die Mannschaft zu oft mit langen Bällen
       oder durch die Mitte, statt das Spiel mit kurzen, schnellen und präzisen
       Pässen über die Flügel zu öffnen.
       
       Auch der in neuer zentraler Mittelfeldrolle zuletzt hochgelobte Fin Bartels
       spielte seine Schnelligkeit im dichten Dresdner Abwehrgestrüpp nur selten
       aus, auch wenn er mit ein paar klugen Pässen zeitweilig positive Akzente
       setzte.
       
       Und obwohl das Spiel nach einem 0:2-Rückstand noch gedreht wurde, entsagte
       Frontzeck in seiner Spielanalyse den üblichen Floskeln von der Moral und
       dem Charakter seiner Mannschaft, die nie aufgesteckt und das Spiel mit
       totalem Engagement umgebogen habe – eine solche Analyse wäre auch einfach
       unpassend gewesen. Drei erfolgreiche Einzelleistungen und ein unermüdlich
       rackernder Mannschaftskapitän Fabian Boll – das reichte an diesem Sonntag
       gegen ein Dresdner Team, das nur eines seiner acht letzten Spiele gewonnen
       hat.
       
       Während Dresden in Richtung Tabellenende taumelt, hat St. Pauli die
       Abstiegszone nach dem zweiten Sieg verlassen und auf Rang 13 Anschluss ans
       Mittelfeld gefunden.Am kommendenm Mittwoch muss die Mannschaft im DFB-Pokal
       beim VFB Stuttgart nun zeigen, was sie wirklich drauf hat.
       
       28 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Carini
       
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