URI: 
       # taz.de -- Champions League: Schütze auf Drogen
       
       > Mithilfe des fit gespritzten Verteidigers Marcel Schmelzer gewinnt
       > Borussia Dortmund gegen Real Madrid und beweist endlich internationale
       > Konkurrenzfähigkeit.
       
   IMG Bild: Sei umschlungen, Millionenjunge: Großkreutz herzt Schmelzer.
       
       DORTMUND taz | Sebastian Kehl hat schon eine Menge erlebt in seinem
       Fußballerleben, vor allen Dingen mit Verletzungen und allerlei anderen
       körperlichen Dysfunktionen kennt der Kapitän von Borussia Dortmund sich
       aus. Und so wusste Kehl nach dem 2:1-Erfolg gegen Real Madrid und einer
       Nacht der Dortmunder Glückseligkeit, wem er zu danken hatte: den
       Entwicklern hochwirksamer Betäubungsmittel.
       
       „Alle Schmerztabletten, die Marcel Schmelzer in den letzten Tagen gefuttert
       hat, die sind wahnsinnig wichtig gewesen“, sagte Kehl. Schmelzer war
       nämlich trotz nur dürftig ausgeheilter Fußwurzelprellung ins Team
       zurückgekehrt, hatte brillant gespielt und in der 64. Minute mit einem
       vorzüglichen Linksschuss den 2:1-Siegtreffer gegen Real Madrid erzielt.
       
       „Ich weiß gar nichts mehr von diesem Moment“, erzählte der Held des Abends
       später, „ich war einfach froh, als ich gesehen habe, wie das Netz wackelt“,
       und die Ursache für diese Amnesie lag wohl weniger in den Schmerzmitteln
       als im Adrenalinausstoß, den das zentrale Nervensystem des Nationalspielers
       in diesem magischen Moment veranlasst hatte.
       
       Ausgerechnet Schmelzer riefen die Reporter oben auf der Tribüne in die
       entfesselt jubelnde Arena hinein, denn der Linksverteidiger trifft
       eigentlich nie, in seinem 137. Pflichtspiel war ihm zuvor erst ein einziges
       Tor gelungen, ein eher unwichtiger Treffer gegen den 1. FC Köln. „Was
       Marcel Schmelzer da heute Abend gespielt hat, das war wie von einem anderen
       Stern“, sagte Jürgen Klopp später im Fernsehen und fügte an: „Glückwunsch
       an Deutschland, so einen Linksverteidiger zu haben.“
       
       ## Gegen die Zweifler
       
       In diesen Worten lag natürlich eine stattliche Überdosis Pathos. Klopps
       enthusiastische Formulierungen waren wohl ein Produkt der Dortmunder
       Sehnsucht, den Zweiflern endlich zu beweisen, dass ihre oftmals
       überkritisch bewerteten Einzelspieler ebenso international konkurrenzfähig
       sind wie ihr Kollektiv. „Wir sind ganz froh, dass wir es jetzt all denen
       gezeigt haben, die zwei Jahre behauptet haben, dass wir in Europa nicht
       mithalten können“, sagte Schmelzer. Die Konkurrenz aus München hatte ja
       sehr ausdauernd an der internationalen Tauglichkeit des BVB gezweifelt, und
       Schmelzer selbst war durch ziemlich unglücklich gewählte Worte des
       Bundestrainers in den Fokus der kritischen Betrachtungen geraten.
       
       Jetzt hat der Deutsche Meister Real geschlagen und steht an der Spitze der
       mit Abstand schwersten Champions-League-Gruppe, während der FC Bayern sich
       irgendwie durch die Vorrunde rumpelt. Und besonders stolz sind sie darauf,
       dass sie dort mit ihrem genuinen BVB-Fußball angelangt sind. Wer in dieser
       Partie gegen Real nicht bedingungslos für die Defensive arbeitet, sei „ein
       Arschloch“ hatte Klopp vor der Partie getönt, und natürlich waren sie alle
       gerannt wie die Irren.
       
       Das erste Tor fiel nach einer für den BVB typischen Balleroberung, Robert
       Lewandowski hatte vollendet (36.), und was vielleicht noch erstaunlicher
       ist: In der halben Stunde nach dem 2:1 gestatteten die Dortmunder Real
       keine einzige klare Torchance. „Ich glaube, dass wir einfach die bessere
       Mannschaft waren, sowohl in der Defensive als auch nach vorne“, sagte Mats
       Hummels.
       
       Wobei Real-Trainer José Mourinho schon recht hatte, als er erklärte, dass
       dies zwar „ein sehr intensives Spiel gewesen sei“, aber keine Partie „von
       allerhöchster Qualität“. Von den Dortmundern brachte nur Lukasz Piszczek
       mehr als 70 Prozent seiner Abspiele zu einem Mitspieler, bei Madrid waren
       es immerhin fünf, aber insgesamt bekamen die Zuschauer eher Emotionsfußball
       als Präzisionsfußball geboten.
       
       ## Kein spanisches Feuerwerk
       
       Allein der 40-Meter-Pass, mit dem Mesut Özil Cristiano Ronaldos
       zwischenzeitliches 1:1 vorbereitete (38.), war ein Meisterwerk an
       Genauigkeit. Viel mehr Offensivfeuerwerk führten die Spanier aber nicht
       auf, und Trainer José Mourinho wirkte durchaus besorgt, als er über die
       enorme Qualität der Vorrundengegner sprach. „Ein großer Klub wird in die
       Europa League müssen“, sagte er, andere Gruppen seien dagegen „ein Witz“.
       
       Und selbst für die Dortmunder blieb diese große Nacht nicht frei von
       Sorgen. Roman Weidenfeller betonte, dass diesen wunderbaren Erlebnissen
       gewissenhaft erledigte „Hausaufgaben“ im Alltag zugrunde liegen. „Unser
       Augenmerk muss jetzt auf der Bundesliga liegen“, mahnte der Torhüter, in
       Freiburg stehen die Europapokalhelden gehörig unter Druck, endlich den
       ersten Auswärtssieg einzuspielen.
       
       Wie schwer diese Umstellung dem BVB in diesem Jahr fällt, war den
       Ausführungen von Mario Götze zu entnehmen: „Natürlich ist die Champions
       League ein bisschen reizvoller als die Bundesliga und der DFB-Pokal“, sagte
       der Offensivspieler. Genau das ist den Leistungen der Dortmunder derzeit
       irgendwie anzusehen.
       
       25 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
       ## TAGS
       
   DIR Fußball
   DIR Champions League
   DIR Schalke 04
   DIR Real Madrid
   DIR Greuther Fürth
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Champions League Gruppenspiele: Bayern und Valencia sind weiter
       
       Obwohl sie in der Überzahl waren, hat es für die Bayern nur zu einem 1:1
       gegen Valencia gereicht. Beide Teams sind im Achtelfinale, andere müssen
       zittern.
       
   DIR Champions League Gruppenspiele: Bayern krass – Barca auch
       
       FC Bayern besiegt OSC Lille sagenhaft mit 6:1. Der FC Barcelona hingegen
       verliert gegen Celtic Glasgow in einem dramatischen Spiel mit 1:2.
       
   DIR Champions League – BVB und Schalke: Ruhrpott rockt Europa
       
       Schalke fängt gegen Arsenal stark an, liegt schnell 0:2 zurück und kann
       noch ausgleichen. Dortmund hat Real am Rand einer Niederlage – und spielt
       ebenfalls unentschieden.
       
   DIR Mourinho kritisiert Reals Nachwuchs: Unüberwindbare Mauer aus Stars
       
       Real-Trainer Mourinho diskreditiert die eigene Nachwuchsarbeit. Dem
       Reservecoach Torli wirft er vor, ein anderes System spielen zu lassen.
       
   DIR Fußball-Bundesliga, 9. Spieltag: Heimpunkt im fünften Anlauf
       
       Greuther Fürth holt seinen ersten Bundesliga-Heimzähler mit einem 1:1 gegen
       Werder Bremen. Die Tore schossen der Brasilianer Edu für Fürth und Nils
       Petersen für Werder.
       
   DIR Champions League, 2. Spieltag: Glanzlos zum Sieg
       
       Über weite Strecken ließ der Bayern München in der Champions League dem OSC
       Lille keine Chance. Dennoch musste der Rekordmeister bis zuletzt zittern.
       
   DIR Borussia Dortmunds Niederlage im Derby: Verordnete Ordnungslosigkeit
       
       Der fast schon als unfehlbar geltende Jürgen Klopp verhilft Gegner Schalke
       mit einem gewagten taktischen Manöver zum Sieg – und nimmt freimütig alle
       Schuld auf sich.
       
   DIR Fußballcoach Jürgen Klopp: Charmebolzen oder Rumpelstilzchen?
       
       Was ist los mit dem Trainerschnuckel der ballverrückten Nation? Kann Jürgen
       Klopp lieb nur bei Erfolg? Was wir jetzt sehen, ist endlich der komplette
       Klopp.