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       # taz.de -- Kolumne Blicke: Die Druck-Druck-Druck-Blase
       
       > Die Bundeswehr war ein Tiefdruckgebiet, in das irgendwann der Sturm der
       > Dränger und Leistungsprolls einziehen musste. Und nun Nadja Drygalla.
       
   IMG Bild: Früher war die Bundeswehr etwa so aggressiv wie die AOK.
       
       Ich bin ein Kind der Bundeswehr. Vielleicht hat mich deswegen ein gewisser
       Vulgär-Antimilitarismus à la „Soldaten sind Mörder“ schon in den späten
       Achtzigern, als man keine Freundin abbekam, wenn man nicht den Wehrdienst
       verweigerte, nicht so ganz eingefangen.
       
       Ich wollte eine Freundin, aber ich kannte die Bundeswehr von innen, und ich
       wusste, dass sie ungefähr so aggressiv war wie die AOK. Wer den Bund als
       Arbeitgeber wählte, wollte eine ruhige Kugel schieben, rechnete nicht
       wirklich mit dem Russen und ging mit 62 und ärztlich attestiertem Rücken
       bei fast vollen Bezügen in Frühpension.
       
       Heute stellt die Bundeswehr in Berlin das letzte Krankenhaus, das man noch
       aufsuchen kann ohne Amok zu laufen. Nach dem, was man seit dem Betrüger zu
       Guttenberg aus dem Verteidigungsministerium hört, wird allerdings auch
       damit bald Schluss sein, es soll rationalisiert und verschlankt werden oder
       wie der gerade aktuelle Betrügerslang halt geht, ich verfolge das nicht so
       genau.
       
       Die alte Bundeswehr war sozusagen ein Tiefdruckgebiet, in das dann eben
       auch irgendwann der Sturm der Dränger und Leistungsprolls einziehen musste.
       Ein bisschen erging es ihr in den letzten Jahren so wie jetzt der
       Fußballnationalmannschaft: Bevor die Deutschen Europa beherrschten, war der
       Auftrag an Löws Elf, den lockeren, den nichthässlichen und nicht
       alpinaweißen neuen Deutschen zu repräsentieren. Jetzt ist das wurscht, der
       Euro gehört uns. Aber Weltmeister sind immer noch die Bankrottspanier.
       
       Dass man Löw eher für seine leicht eklige Angewohnheit, öffentlich an den
       Achseln seiner taillierten Hemden zu riechen, hätte kritisieren können –
       geschenkt. Ästhetik, gutes Benehmen, ich sage es einfach mal: eine
       Adorno’sche Zartheit, ein „auf dem Wasser liegen und friedlich in den
       Himmel schauen („Sur l’eau“, Minima Moralia) – das darf nicht mehr sein,
       schon gar nicht beim brisanten Thema „Lesen lernen im Bundesvergleich“, zu
       dem der Tagesspiegel-Kolumnist Matthias Harald Martenstein-Sammer am
       Wochenende seine übervolle Druck-Druck-Druck-Blase nicht mehr halten
       konnte: Als ob er nicht selbst die beste Mahnung abgäbe, die zarten Kleinen
       doch bitte nicht zu früh mit den Buchstaben vertraut zu machen.
       
       Ein Druck also zieht durchs Land, und insofern ist es zu begrüßen, dass
       Nadja Drygalla nun Sportsoldatin geworden ist. Nachdem ich eine Kolumne
       über sie und die deutsche Liebe zu Nazihascherln und die entsprechende
       Eiseskälte allen fremdartigen menschlichen Lebewesen gegenüber
       veröffentlicht hatte, schrieb mir das Büro der Landtagspräsidentin von
       Mecklenburg-Vorpommern einen Brief, in dem meine
       allgemein-antifaschistischen und gut katholisch auf die Verantwortung des
       Einzelnen abhebenden Thesen Anerkennung fanden, Frau Drygalla aber als
       „vulnerabel“ bezeichnet wurde.
       
       Heißt wohl auf Deutsch, dass sie von Haus aus und klein auf gewohnt ist, zu
       tun, was Männer ihr sagen. Da sie vor allem Rudern will, ist übermäßiges
       Engagement für die eigentlichen dienstlichen Belange nicht zu erwarten –
       noch ein Kind der guten alten Bundeswehr.
       
       25 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
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